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Die Leitung des Betriebes durch den Meister schützt die Verbraucher vor nicht fachgerecht ausgeführten Arbeiten – besonders in den Gesundheitshandwerken, bei denen die Gesundheit des Kunden unmittelbar betroffen ist. Wer sich in einem zulassungspflichtigen Handwerk selbstständig machen möchte, muss den Meisterbrief erwerben. Eine einfache Regel, dennoch müssen sich Gerichte immer wieder mit der Erteilung von Ausnahmebewilligungen befassen. 

 

Die Ausnahmebewilligung

Nur die Handwerkskammern erteilen – in besonderen Einzelfällen – Ausnahmebewilligungen. Sie ermöglichen eine Eintragung in die Handwerksrolle ohne förmliche Meisterprüfung. Das ist für die Verfassungsmäßigkeit der Meisterpflicht von Bedeutung: Denn bereits 1961 entschied das Bundesverfassungsgericht, der Meistervorbehalt sei nur mit der im Grundgesetz garantierten Berufsfreiheit zu vereinbaren, wenn auch Ausnahmen möglich sind (Beschluss vom 17.07.1961, Az. 1 BvL 44/55). Kurzum: Ohne Ausnahmebewilligungen gäbe es auch keine Meisterpflicht.

Wie der Name schon sagt, gibt es Ausnahmebewilligungen nur in besonderen Ausnahmefällen. Welche Situationen sind aber so schwerwiegend, dass eine Befreiung von der Meisterpflicht angemessen ist? Laut Handwerksordnung ist das dann der Fall, wenn die Meisterprüfung für den Antragsteller eine unzumutbare Belastung wäre. Also muss der Härtefall in der Person des Antragstellers begründet sein. Ein betriebliches Interesse an der Ausnahmebewilligung, etwa weil ein Betriebsleiter benötigt wird, aber kein Meister vorhanden ist, ist irrelevant. Weiter besagt die Handwerksordnung, dass die Ausnahmebewilligung auch befristet oder auf einen Teilbereich des auszuübenden Handwerkes beschränkt werden kann.

 

Zeit und Geld sind keine Ausnahmegründe

Ob ein Härtefall vorliegt, entscheidet die zuständige Handwerkskammer im Einzelfall. Bei Weitem nicht jede belastende Situation stellt einen Ausnahmefall dar. Das verdeutlicht ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichtes München (Urteil vom 21.02.2017, Az. M 16 K 16.2083). In dem Fall trug der Antragsteller mehrere Umstände vor, die aus seiner Sicht einen Ausnahmefall begründen würden: Er habe bereits mit der Meisterprüfung begonnen und auch einzelne Prüfungsteile abgelegt. Nun aber fehle ihm sowohl die Zeit als auch das Geld, die noch fehlenden Teile der Meisterprüfung zu vollenden. Nach Auffassung des Antragstellers sei zu berücksichtigen, dass er seinen Betrieb weiterführen müsse. Denn den hatte er bereits ohne Meisterbrief eröffnet; der zunächst beschäftigte Meister war aber ausgeschieden. Außerdem wolle er sein Handwerk als Installateur auch nur in beschränktem Umfang ausüben. Die Argumente des Antragstellers wischte das Gericht jedoch allesamt vom Tisch. Dass die Meisterprüfung Zeit und Geld koste, treffe nicht nur den Antragsteller, sondern jeden Meisterprüfling. Das sei folglich keine besondere Härte. Die Eröffnung seines Betriebes, ohne vorher selbst die handwerksrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, wertete das Gericht eher zulasten statt zugunsten des Antragstellers: Man werde das vorherige Führen des Betriebes ohne Meister nicht mit einer Ausnahmebewilligung belohnen. Denn das würde die Grundsätze der Handwerksordnung auf den Kopf stellen. Der Wunsch, nur einen Teilbereich seines Handwerkes auszuüben, begründete ebenfalls keinen Ausnahmefall. Das Verwaltungsgericht urteilte hierzu: „Die Unzumutbarkeit darf nicht mit der Erwägung begründet werden, dass nur die Ausübung eines Teilbereichs beabsichtigt wird.“ Schließlich stellte das Gericht noch fest, dass der Antragsteller durch das Ablegen von Teilen der Meisterprüfung gezeigt habe, dass ihm die Teilnahme an der Meisterprüfung sehr wohl möglich sei. Von einer Unzumutbarkeit der Meisterprüfung sei daher gerade nicht auszugehen. Die Klage wurde abgewiesen.

 

Praxiserfahrung allein reicht nicht

Neben dem besonderen Ausnahmefall muss der Antragsteller auch die Kenntnisse und Fertigkeiten nachweisen, die zur Selbstständigkeit im Handwerk erforderlich sind. Maßgeblich ist hierbei nicht allein seine Praxiserfahrung, sondern auch sein besonderes Fachwissen. Dies verdeutlicht eine aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 15.11.2016, Az. 4 A 490/14). In dem Verfahren ging es um das Kraftfahrzeugtechnikhandwerk. Der Antragsteller verfügte über den Gesellenbrief und zudem über den Abschluss als geprüfter Kraftfahrzeugservicetechniker sowie über einige Jahre Berufserfahrung. Dies aber sah das Oberverwaltungsgericht nicht als ausreichend an. Die vom Antragsteller nachzuweisenden Kenntnisse und Fertigkeiten müssten in etwa der Befähigung entsprechen, die in einer Meisterprüfung nachzuweisen sind. Dies umfasse nicht nur die praktischen Fertigkeiten, sondern gerade auch die theoretischen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse, die ebenso Gegenstand der Meisterprüfung sind. Diesen Nachweis hatte der Antragsteller jedoch nicht geführt, und zu einer Überprüfung seiner Sachkunde durch einen Sachverständigen des Kfz-Handwerkes war er nicht bereit. Vor diesem Hintergrund wurde ihm die Ausnahmebewilligung versagt: Zu Recht, wie das Oberverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung bestätigte.

 

Erfolglose Meisterprüfung

Wie aber sieht es aus, wenn die Meisterprüfung nicht bestanden wurde? Kommt dann eine befristete Ausnahmebewilligung in Betracht? „Nein“, war die Antwort des Verwaltungsgerichtes Ansbach (Urteil vom 22.10.2013, Az. 4 K 13.00962). Die Antragstellerin hatte kurz zuvor Teile ihrer Meisterprüfung als Friseurin nicht bestanden. Das Gericht sagte, das Scheitern in der Meisterprüfung lasse erkennen, dass die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten gerade nicht vorliegen.

 

Für die Praxis

Eine Ausnahmebewilligung kann im Einzelfall sinnvoll und hilfreich sein. Doch verschenkt wird nichts. Ausnahmebewilligungen sind nicht dazu da, betriebliche Engpässe zu lösen. Die Ausnahmebewilligung ist nur besonderen Fällen, in denen eine Teilnahme an der Meisterprüfung unzumutbar wäre, vorbehalten. Der Härtefall muss außerdem in der Person des Antragstellers begründet liegen. Und der Antragsteller muss nachweisen, dass er das Hörakustikhandwerk auf Meisterniveau ausüben kann. Das umfasst sowohl die praktischen Fertigkeiten als auch die besonderen fachtheoretischen sowie kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse, die zur Leitung eines Hörakustikfachgeschäftes erforderlich sind. Ein Misserfolg in der Meisterprüfung schließt eine Ausnahmebewilligung in der Regel aus. Von einer Geschäftseröffnung ohne Meisterbrief ist abzuraten. Auf diese Weise geschaffene Fakten sind hausgemacht. Das werden die Handwerkskammern nicht durch eine Ausnahmebewilligung belohnen.

Matthias Schober • biha

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