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Lange Zeit wurden potenzielle Anbieter von offenem WLAN von der unsicheren Rechtslage und den erheblichen Haftungsrisiken abgeschreckt.

Dazu hatte auch ein Urteil des Europäischen Gerichthofes (EuGH) beigetragen, wonach ein WLAN-Betreiber für Rechtsverletzungen Dritter nicht auf Schadensersatz haftet, wohl aber unter bestimmten Umständen als Störer auf Unterlassung (EuGH, Urteil vom 15.09.2016 – Mc Fadden). Am 22.09.2017 hat der Bundesrat nun das dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) gebilligt, mit dem endlich Rechtssicherheit für WLAN-Anbieter in Deutschland geschaffen werden soll.

Wireless Local Area Network (WLAN), zu Deutsch drahtloses lokales Netzwerk, bezeichnet ein lokales Funknetz zur Kommunikation und Datenübertragung. Bislang lag Deutschland im Angebot offener, das heißt nicht verschlüsselter WLANs im internationalen Vergleich erheblich zurück. Mit durchschnittlich 1,87 WLAN-Hotspots auf 10 000 Einwohner waren Verbrauer in Deutschland deutlich schlechter versorgt als beispielsweise in Südkorea (37,35), im Vereinigten Königreich (28,67) oder in Schweden (9,94). Ausschlaggebender Grund war die Rechtsunsicherheit der WLAN-Betreiber, die aufgrund der langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) stets fürchten mussten, als sogenannte Störer für die Rechtsverletzungen Dritter auf Unterlassung in Anspruch genommen und kostenpflichtig abgemahnt zu werden. Mit dem zweiten Gesetz zur Änderung des TMGs vom Juni 2016 sollte die Störerhaftung von WLAN-Anbietern in Deutschland endlich abgeschafft werden. Dafür wurde in Paragraf 8 Abs. 3 TMG bestimmt, dass die bei reiner Informationsdurchleitung bestehende Haftungsfreiheit auch Anbietern zugutekommt, „die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.“ Nur knapp zwei Monate später erging das EuGH-Urteil Mc Fadden, das die Anwendung der Störerhaftung sowie die Möglichkeit gerichtlicher Anordnungen gegen WLAN-Anbieter wieder bestätigte und damit weit hinter allen Erwartungen zurückblieb.

 

Sachverhalt

Das Ausgangsverfahren fand vor dem Landgericht (LG) München I statt. Tobias Mc Fadden betrieb ein Geschäft für Licht- und Tontechnik, in dem er kostenlos ein öffentlich zugängliches WLAN bereitstellte. Einer der Nutzer seines WLANs hatte darüber ein urheberrechtlich geschütztes Werk heruntergeladen und zugleich der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht (sogenanntes Filesharing) und damit eine Urheberrechtsverletzung begangen. Daraufhin wurde Mc Fadden abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schadensersatz und Abmahnkosten aufgefordert. Das vorlegende LG wollte vom EuGH wissen, wie Art. 12 E-Commerce-Richtlinie (Reine Durchleitung) als die entsprechende europarechtliche Bestimmung zur Haftung von WLAN-Betreibern auszulegen und anzuwenden ist.

 

Rechtliche Würdigung

Der EuGH stellte zunächst klar, dass der WLAN-Betreiber nach Art. 12 E-Commerce-Richtlinie auch nach Aufforderung wegen angeblicher Rechtsverletzungen nicht zu Löschung oder Sperrung verpflichtet ist, da er aufgrund der reinen Durchleitung von Daten keine Kontrollmöglichkeiten über Inhalte hat. Er entschied weiter, dass den WLAN-Betreiber keine Schadensersatzpflichten treffen. Dem WLAN-Betreiber könne jedoch nach Art. 12 Abs. 3 E-Commerce-Richtlinie aufgrund gerichtlicher oder behördlicher Anordnungen untersagt werden, die Fortsetzung der Rechtsverletzung zu ermöglichen. Rechtsfolge einer Unterlassungsanordnung, so der EuGH schließlich, wäre zwar nicht die vollständige Abschaltung des Internetanschlusses, wohl aber die Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort. Hierdurch würden die Nutzer des Anschlusses von Rechtsverletzungen abgeschreckt, soweit sie ihre Identität offenbaren müssten, um das erforderliche Passwort zu erhalten.

Ausführungen zur gerade erlassenen Neuregelung des deutschen TMGs, insbesondere zu Paragraf 8 Abs. 3 TMG enthielt das EuGH-Urteil nicht, weil es ausschließlich um die Auslegung der europarechtlichen Vorschriften der E-Commerce-Richtlinie zur Datendurchleitung ging. Das Urteil Mc Fadden erneuerte trotzdem die in Deutschland bestehende Rechtsunsicherheit, weil es die Grundsätze zur Störerhaftung auch für WLAN-Anbieter bestätigte.

In dieser Situation griff erneut der deutsche Gesetzgeber ein. Mit dem Entwurf der Bundesregierung für ein drittes Gesetz zur Änderung des TMGs sollten die nach der Mc-Fadden-Rechtsprechung offenen Fragen geklärt werden. Kern der neuen Regelung ist Paragraf 8 Abs. 1 Satz 2 TMG, wonach die Störerhaftung für WLAN-Anbieter beschränkt wird und diese weder auf Schadensersatz noch auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können. Hiermit korrespondiert die neue Vorschrift des Paragrafen 7 Abs. 4 Satz 3 TMG, wonach das Risiko vor- und außergerichtlicher Kosten für den Dienstanbieter entfällt. Zum Schutz der Rechtinhaber ist die Sperrung des Zuganges zu Informationen weiterhin möglich, die aber zumutbar und verhältnismäßig sein muss (Paragraf 7 Abs. 4). Dabei sind jedoch behördliche Anordnungen zur Registrierung, zum Verlangen von Passwörtern sowie zur kompletten Einstellung des Angebotes verboten (Paragraf 8 Abs. 4 TMG). Solche Sicherungsmaßnahmen sind nur auf freiwilliger Basis möglich.

 

Für die Praxis

Da inzwischen auch viele Hörakustiker die Einrichtung von Hotspots als Serviceleistung für ihre Kunden erwägen, sind nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften des TMGs folgende Punkte zu beachten:

  • WLAN-Anbieter sind nicht mehr verpflichtet, den Zugang mit Passwörtern zu verschlüsseln und/oder Personen vor Nutzung des WLANs zu registrieren. Es bleibt ihnen selbstverständlich unbenommen, ihr WLAN auf freiwilliger Basis zu schützen.
  • Das außergerichtliche Kostenrisiko des WLAN-Anbieters im Zusammenhang mit Rechtsverletzungen entfällt weitgehend. Insbesondere muss er nicht mehr die Kosten rechtsanwaltlicher Abmahnungen tragen.
  • Es verbleibt das Kostenrisiko, dass der WLAN-Anbieter vom Rechtsinhaber verklagt wird und im Rechtsstreit unterliegt. In diesem Fall muss er nach der allgemeinen Kostenverteilungsregel des Paragrafen 91 Zivilprozessordnung (ZPO) die Prozesskosten ganz oder anteilig tragen.
  • Um diesem Risiko zu entgehen, sollte der WLAN-Anbieter die erhobenen (berechtigten) Ansprüche des Rechtsinhabers auf Sperrung des Zuganges rechtszeitig erfüllen. Als zumutbare und verhältnismäßige Maßnahmen kommt dabei die Sperrung bestimmter Ports am Router in Betracht, um den Zugriff zum Beispiel auf illegale Tauschbörsen zu verhindern. Ferner können bestimmte Webseiten vom Zugangspunkt des Diensteanbieters gesperrt werden. Zur Vermeidung eines Overblocking kommen schließlich Datenmengenbegrenzungen in Betracht. Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Dr. Karin Althaus-Grewe • biha

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