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Vergleichende Werbung, d. h. die direkte oder indirekte Bezugnahme auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte in der Werbung, hat sich als wirksames Instrument in der Werbebranche etabliert. Häufig nutzen Werbetreibende dabei einen humorvollen Ansatz, um die Vorzüge ihrer Produkte hervorzuheben und gleichzeitig die Konkurrenz in einem weniger vorteilhaften Licht erscheinen zu lassen. Diese Art der Werbung stößt jedoch spätestens dann an ihre rechtlichen Grenzen, wenn die dargestellten Produktvorteile nicht der Wahrheit entsprechen oder wenn die beworbenen Vorteile keine tatsächlichen Besonderheiten im Vergleich zu ähnlichen Produkten aufweisen, also insbesondere die behaupteten Alleinstellungsmerkmale überhaupt nicht vorliegen. Ein aktueller Fall vergleichender Werbung beschäftigte kürzlich das Landgericht (LG) Frankfurt. Ein Hörakustiker, der ausschließlich über das Internet tätig ist, stellte seine Vorteile gegenüber einem – aus seiner Sicht – herkömmlichen Hörakustiker dar, dies allerdings teilweise mit unlauteren Mitteln (LG Frankfurt, Urteil vom 19.01.2024, Az.: 3-10 O 44/23).

 

Sachverhalt

Das beklagte Hörakustikunternehmen, das Hörsysteme ausschließlich online vertreibt, wählte für seine jüngste Werbekampagne auf Facebook eine bildliche Darstellung, um die Unterschiede zwischen einem herkömmlichen, d. h. stationären Hörakustiker, und seinem Onlinegeschäftsmodell zu verdeutlichen und damit die Vorteile des Onlinekaufs von Hörsystemen gegenüber dem stationären Hörakustiker herauszustellen. Dabei wurde aufseiten des stationären Hörakustikers lediglich ein Hörverstärker bzw. ein stark veraltetes Hörsystem abgebildet. Auf der Seite des Beklagten hingegen wurde ein modernes Hinter-dem-Ohr(HdO)-Gerät abgebildet.

Im Rahmen dieses Vergleichs behauptete das Unternehmen des Weiteren auch, dass man beim stationären Hörakustiker für Termine in die Innenstadt fahren müsse, während der Onlineakustiker die Betreuung bequem per App anbiete.

Darüber hinaus behauptete das Unternehmen im Rahmen der Werbung und in unmittelbarer Nähe zu dem abgebildeten modernen Hörgerät, dass man dort Premiumhörgeräte zum Nulltarif erhalten könne.

Die Klägerin, die Wettbewerbszen­trale, sah darin mehrere wettbewerbsrechtliche Verstöße. Durch die Gegenüberstellung eines Hörverstärkers mit einem modernen Hörgerät würde bei den Verbrauchern der Eindruck erweckt, dass neue Hörsysteme ausschließlich online bzw. bei dem Unternehmen erworben werden könnten. Die Werbung suggeriere, dass bei herkömmlichen stationären Hörakustikern nur noch veraltete Technik erhältlich sei. Das beklagte Hörakustikunternehmen trat dieser Auffassung insoweit entgegen, als dass es sich bei dem abgebildeten Gerät nicht um einen Hörverstärker, sondern lediglich um ein älteres Hörgerät handelte.

Die Wettbewerbszentrale führte weiter aus, dass auch die suggerierte Aussage, dass bei stationären Hörakustikern keine App-Betreuung möglich sei, nicht der tatsächlichen Praxis entspreche und daher eine Irreführung der Verbraucher darstelle.

Schließlich sah die Wettbewerbszentrale auch eine Irreführung in der Angabe, dass hochwertige Hörsysteme zum Nulltarif erworben werden könnten, da der Verbraucher diese Aussage in unmittelbarem Zusammenhang mit dem abgebildeten Gerät sehe und daher davon ausgehe, dass gerade das abgebildete moderne Hörgerät der Beklagten zum Nulltarif erworben werden könne. Dies sei jedoch nicht der Fall, da für dieses Gerät eine Zuzahlung zu leisten sei.

Da eine Unterlassungserklärung durch das Hörakustikunternehmen nicht abgegeben wurde, klagte die Wettbewerbszentrale schließlich vor dem Landgericht (LG) Frankfurt auf Unterlassung dieser Werbepraxis.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht gab der Wettbewerbszentrale in vollem Umfang Recht und verurteilte das Unternehmen zur Unterlassung der Werbeaussagen, da diese eine Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellten.

Schulbuchmäßig führte das Gericht zunächst aus, wann grundsätzlich von einer Irreführung auszugehen ist. Ob eine Irreführung vorliegt, bemisst sich zunächst danach, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher die Werbeaussage bzw. die Werbung im Rahmen eines Gesamteindrucks verstehen muss. Dieses Verständnis bemisst sich daher stets an einem objektivierbaren Maßstab, den in der Regel das Gericht aufgrund eigener Sachkunde anlegt. Dieses Verbraucherverständnis ist sodann mit der tatsächlichen Wirklichkeit zu vergleichen. Weicht das Verbraucherverständnis von der tatsächlichen Wirklichkeit ab, liegt eine Irreführung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor.

Dieses Verbraucherverständnis vorangestellt, machte das Gericht zunächst Ausführungen zu den Abbildungen und stellte zunächst klar, dass es für den Streitfall unerheblich sei, ob ein Hörverstärker oder nur ein älteres Hörsystem abgebildet sei. Jedenfalls suggeriere dieser bildliche Vergleich, dass moderne und technisch aktuelle Hörsysteme nur bei dem beklagten Onlineunternehmen und nicht mehr bei einem stationären Hörakustiker erhältlich seien. Dies entspreche aber nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass moderne Hörsysteme der neuesten Generation auch beim Hörakustiker erworben werden können.

Eine Irreführung sah das Gericht auch in der Gegenüberstellung, dass der stationäre Hörakustiker nur „Termine in der Innenstadt“ und der Onlinehändler „Akustikerbetreuung per App“ anbiete. Beim Verbraucher wird der Eindruck erweckt, die Fernanpassung sei ein exklusives Angebot des Onlinehändlers. Tatsächlich bieten aber auch eine nicht unerhebliche Anzahl stationärer Hörakustiker diese Möglichkeit an, wobei diese Möglichkeit der Fernanpassung nicht vom jeweiligen Hörakustiker abhängt, sondern eine solche Möglichkeit besteht, sofern der Hersteller dies für das jeweilige Gerät anbietet. Der Irreführung steht auch nicht entgegen, dass die Anpassung in der Regel vor Ort beim Hörakustiker erfolgt. Entscheidend ist, dass das behauptete Alleinstellungsmerkmal gerade nicht besteht.

Das Gericht führte aus, dass die Werbeaussage „Premiumhörgeräte zum Nulltarif“ von den Verbrauchern so verstanden werde, dass sie sich auf das unmittelbar abgebildete Hörgerät des Unternehmens beziehe. Tatsächlich war dieses Gerät für gesetzlich Krankenversicherte nur gegen eine Zuzahlung von 150 Euro pro Ohr erhältlich.

 

Für die Praxis: Vergleichende Werbung

Bis vor 25 Jahren war vergleichende Werbung in Deutschland grundsätzlich verboten. Seit einer Gesetzesänderung Anfang der 2000er-Jahre ist sie grundsätzlich erlaubt und nur noch in Ausnahmefällen unzulässig.

Grundsätzlich gilt, wie der Fall vor dem LG Frankfurt exemplarisch zeigt, dass vergleichende Werbung natürlich weiterhin nicht irreführend sein darf. Das bedeutet, dass alle Aussagen in der Werbung wahr und nachprüfbar sein müssen. Dazu gehört etwa auch die Vortäuschung eines nicht vorhandenen Alleinstellungsmerkmals.

Darüber hinaus muss sich vergleichende Werbung im Rahmen des § 6 UWG bewegen: Sie ist stets unzulässig, wenn sie Waren oder Dienstleistungen miteinander vergleicht, die nicht für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bestimmt sind ähnlich wie der Vergleich von „Äpfeln mit Birnen“.

Die Werbung muss sich auf wesentliche, relevante und typische Eigenschaften oder den Preis beziehen. Ein Vergleich, der sich auf völlig unwesentliche Eigenschaften eines Produkts bezieht, ist daher zu vermeiden.

Sie darf ferner nicht geeignet sein, Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen dessen Waren, Dienstleistungen oder Kennzeichen hervorzurufen oder den Ruf eines Mitbewerbers durch die Werbung in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen.

Vergleichende Werbung darf außerdem Mitbewerber oder deren Angebote nicht herabsetzen oder verunglimpfen und das beworbene Produkt nicht aktiv als Imitation oder Nachahmung eines geschützten Erzeugnisses anpreisen.

Streitpunkt im Bereich der vergleichenden Werbung ist dabei regelmäßig die Frage, ob und wann ein Mitbewerber herabgesetzt oder verunglimpft wird. Die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht eine solche Herabsetzung häufig nicht mehr, wenn pointiert mit den Mitteln des Humors und der Ironie gearbeitet wird.

Und so ist am Ende des Tages vielleicht auch die Fernsehwerbung eines großen Fast-Food-Unternehmens erlaubt, in der die Werbeikone – ein Clown – eines Konkurrenten inkognito mit Trenchcoat und Sonnenbrille im eigenen Laden gezeigt wird oder die Printwerbung eines Küchengeräteherstellers, der sich für das Vorwerk der Konkurrenz bedankt.

Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Patrick Frank, Syndikusrechtsanwalt, Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha)

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