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Arbeitnehmer haben bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, das mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten muss. Darüber hinaus können sie ein qualifiziertes Zeugnis verlangen, das zusätzlich Angaben über ihre Leistung und ihr Verhalten enthält. Dieses Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein und darf keine verschlüsselten Aussagen enthalten. Spannend ist die Frage, wie Arbeitgeber darauf reagieren sollen, wenn erst nach der Zeugniserstellung Tatsachen bekannt werden, die sich negativ auf die Beurteilung des Arbeitnehmers auswirken, oder wenn  dieser sich eine bessere Bewertung erschlichen hat. Diese Fragen beantwortet ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes (LAG) Schleswig-Holstein (Urteil vom 17.10.2017, Az. 1 Sa 228/17).

 

Sachverhalt

Gestritten wurde über die Herausgabe eines dem Beklagten erteilten Zwischenzeugnisses. Der Beklagte war in der Zeit vom 01.07.2014 bis zum 31.10.2016 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages bei der Klägerin angestellt. Die für seine Beurteilung zuständige Vorgesetzte hatte bereits in einem internen Vermerk im November 2015 angeregt, das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten nicht mehr fortzusetzen. Als der Beklagte am 16.06.2016 ein Zwischenzeugnis anforderte, erfolgte eine Rücksprache seitens des für die Ausfertigung des Zeugnisses zuständigen Personalleiters mit der besagten Vorgesetzten, die ihre negative Stellungnahme von 2015 bestätigte. Dem Beklagten wurde hieraufhin ein von der Leiterin der Klägerin unterzeichnetes Zwischenzeugnis mit einer durchschnittlichen Beurteilung ausgestellt.

Mit Datum 28.10.2016 hat sich dann der Beklagte mit einem von ihm selbst erstellten Zwischenzeugnisentwurf an den stellvertretenden Leiter der Klägerin gewandt und um Unterzeichnung gebeten. Die eigentliche Leiterin war zu dieser Zeit urlaubsbedingt abwesend. Der stellvertretende Leiter erklärte zunächst, dass er das Zeugnis nicht unterschreiben könne, da er die Leistungen des Beklagten nicht persönlich kenne. Daher fragte er bei dem unmittelbaren Vorgesetzten des Beklagten an – unklar ist, ob dies auf Veranlassung des Beklagten geschah – und ließ sich die Richtigkeit des Zeugnisses, das eine sehr gute Beurteilung enthielt, bestätigen. Eine Einschaltung der eigentlich für die Beurteilung zuständigen Vorgesetzten erfolgte nicht. Daraufhin unterzeichnete der stellvertretende Leiter das Zeugnis und händigte es dem Beklagten aus.

Diese Vorkommnisse wurden in einer Besprechung des Sachverhaltes am 31.10.2016 zwischen den Beteiligten erörtert. Auf die Frage, warum der Beklagte das Zeugnis nicht wie üblich über den Personalleiter angefordert habe, gab dieser an, es habe sich um eine dringende Angelegenheit gehandelt. Mit Schreiben vom 04.11.2016 hat die Klägerin das Zeugnis widerrufen. Mit ihrer Klage verlangte sie dessen Rückgabe.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage noch abgewiesen und ausgeführt, dass sich die Klägerin an dem von ihr erteilten Zeugnis festhalten lassen müsse. Durch das LAG Schleswig-Holstein wurde jedoch eine andere Auffassung vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Zwar war auch das LAG der Überzeugung, dass sich die Klägerin das Wissen ihrer Organe und der für sie handelnden Vertreter zurechnen lassen müsse. Der Klägerin seien an sich sämtliche Umstände, die die Beurteilung des Beklagten beträfen, unstreitig bekannt gewesen. Dass dem im konkreten Fall handelnden Organ der Klägerin, deren stellvertretendem Leiter, von einer abweichenden Einschätzung des Leistungsvermögens des Beklagten nichts bekannt gewesen sei, entlaste die Klägerin deshalb nicht.

Nur wenn sich ein Arbeitgeber bei der Erstellung des Zeugnisses im Hinblick auf schwerwiegende, wesentliche Umstände geirrt hat, weil ihm nachträglich Tatsachen bekannt werden, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden und diese für einen zukünftigen Arbeitgeber von ausschlaggebender Bedeutung bei der Einstellungsentscheidung sein könnten, könne er gegen Erteilung eines neuen Zeugnisses die Herausgabe des alten verlangen. Auf das Bekanntwerden neuer Tatsachen habe sich die Klägerin aber nicht berufen.

Dennoch bejahte im Endergebnis das LAG eine Herausgabepflicht. Diese ergäbe sich daraus, dass der Beklagte das Arbeitszeugnis auf unredliche, gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßende Art und Weise erlangt habe. Das Vorgehen des Beklagten stelle sich nämlich als zielgerichtete Umgehung des bei der Klägerin vorgesehenen Prozederes zur Ausstellung eines Zwischenzeugnisses dar, um eine bessere ‒ von den zuständigen Mitarbeitern der Klägerin nicht getragene ‒ Beurteilung seiner Arbeitsleistung zu erlangen.

Dieses Vorgehen werde auch nicht von einer vom Beklagten erneut im Prozess geltend gemachten besonderen Eilbedürftigkeit der Situation gerechtfertigt, denn ihm habe bereits ein zeitnah erteiltes Zwischenzeugnis vorgelegen. Es entschuldige den Beklagten dabei auch nicht, wenn er meine, dass er mit dem zuerst erteilten Zwischenzeugnis keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt hätte. Stattdessen wäre es ihm durchaus möglich gewesen, frühzeitig einen Antrag auf Zeugnisberichtigung zunächst bei der Klägerin und gegebenenfalls beim Arbeitsgericht zu stellen. Diese Möglichkeiten habe er jedoch bewusst nicht wahrgenommen, sondern treuwidrig den Umstand ausgenutzt, dass die eigentlich zuständige Vertreterin der Klägerin abwesend gewesen sei, um sich ein Zeugnis zu erschleichen.

 

Für die Praxis

Grundsätzlich sind nach Paragraf 109 Gewerbeordnung bei der Zeugniserstellung die Gebote der Wahrheit und der Klarheit zu beachten. Bei der Beurteilung der Leistungen des Arbeitnehmers soll nach der Rechtsprechung der Aussteller als Maßstab den eines wohlwollenden, verständigen Arbeitgebers anlegen, der seiner Bewertung Tatsachen und nicht Verdächtigungen zugrunde legt. Aus diesen Vorgaben ergibt sich ein nur allzu bekanntes Spannungsverhältnis. Denn weder darf ein zu hartes Zeugnis die Chance des Empfängers auf dem Arbeitsmarkt unzulässig erschweren, noch sollen zu weiche Bewertungen den Wert der Arbeitszeugnisse insgesamt in Zweifel ziehen. Gibt es am Ende nur noch Zeugnisse im Bereich gut und sehr gut, tendiert deren Aussagekraft bei der Entscheidung über eine Anstellung irgendwann gegen null. Besser sind differenzierte Beurteilungen, die sowohl Stärken als auch Schwächen klar benennen, ohne durch schwammige Formulierungen den Eindruck der Verwendung eines Geheimcodes zu erwecken.

Wichtig ist auch, wie der dargestellte Fall belegt, dass im Betrieb klar geregelte Strukturen für die Erstellung von Arbeitszeugnissen bestehen müssen. Diese sind den Arbeitnehmern auch deutlich zu kommunizieren. Sollte sich dennoch ein Arbeitnehmer unter Umgehung dieser Strukturen ein unzutreffendes Zeugnis erschleichen, kann dieses widerrufen und zurückgefordert werden. Gleiches gilt, wenn das Zeugnis wesentliche Unrichtigkeiten enthält, die sich erst nachträglich aus neu zutage gelangten Tatsachen ergeben‒so beispielsweise eine nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses festgestellte Unterschlagung durch den Mitarbeiter, eine zunächst verborgene Konkurrenztätigkeit, verheimlichte schwerwiegende Arbeitsfehler oder andere Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Zeugnisse, die dergestalt dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben zuwiderlaufen, können und sollten aus dem Verkehr gezogen werden.

Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Christian Behrendt • biha

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