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Nicht bei mir, dachte sich ein Hilfsmittelerbringer und warb bei seinen Kunden mit dem Verzicht auf die gesetzliche Zuzahlung. „Zuzahlung bezahlen Sie übrigens bei uns nicht, das übernehmen wir für Sie!“, lautete seine Werbebotschaft.

Die gesetzliche Zuzahlung müssen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für bestimmte Leistungen der GKV aus eigener Tasche entrichten, indem sie zehn Prozent des Abgabepreises selbst tragen. Diese Zuzahlung beträgt mindestens fünf, höchstens jedoch zehn Euro und fällt auch für Hilfsmittel an.

 

Sachverhalt

Das Angebot des werbenden Hilfsmittelerbringers gefiel zwar den Kunden, nicht aber der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbes. Sie warf ihm vor, mit dem Zuzahlungsverzicht bewusst Gesetze zum Schutz anderer Wettbewerber zu unterlaufen. Prompt mahnte sie daher die Werbung mit dem Zuzahlungsverzicht ab. Da der Hilfsmittelerbringer seine Werbung jedoch für zulässig hielt, landete der Fall schließlich vor Gericht und letztlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Dieser gab dem Hilfsmittelerbringer recht: Die Werbung für Hilfsmittel mit dem Verzicht auf die gesetzliche Zuzahlung ist zulässig (Az. I ZR 143/15).

 

Entscheidungsgründe

Der Beklagte hat, so der BGH, mit seiner Werbung in keiner Weise gegen wettbewerbsschützende Vorschriften verstoßen. Denn die sozialrechtlichen Regelungen zur gesetzlichen Zuzahlung dienen nicht dem Schutz des Wettbewerbes. Sinn der gesetzlichen Zuzahlung sei es vielmehr, das Kostenbewusstsein der Versicherten zu erhöhen und damit die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gesundheitsvorsorge zu erhalten. Einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß erkannte der BGH auch nicht in einer „unzulässigen Werbegabe“ nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG). Zwar seien Werbegaben für Medizinprodukte grundsätzlich unzulässig, dies gelte allerdings nicht, sofern es sich bei der Werbegabe um einen festen Geldbetrag handele. Genau dies sei beim Verzicht auf die gesetzliche Zuzahlung jedoch der Fall, denn den Wert der gesetzlichen Zuzahlung könne der Versicherte ohne Weiteres errechnen. Damit sei der Verzicht auf die gesetzliche Zuzahlung zu Werbezwecken auch nach dem HWG zulässig. Der Beklagte habe darüber hinaus auch nicht gegen die sozialrechtlichen Normen zur gesetzlichen Zuzahlung verstoßen. Zwar müsse ein Leistungserbringer grundsätzlich die gesetzliche Zuzahlung für die Krankenkasse einziehen und könne über diesen der Krankenkasse zustehenden Anspruch nicht frei verfügen. Allerdings greife im Bereich der Hilfsmittel eine Ausnahme, da die gesetzliche Zuzahlung hier keine Forderung der Krankenkasse darstelle. Vielmehr sei die gesetzliche Zuzahlung zu Hilfsmitteln Teil des Vergütungsanspruches des Hilfsmittelerbringers – mit der Folge, dass der Hilfsmittelerbringer auf diesen Teil seines Vergütungsanspruches auch verzichten kann.

Der Hilfsmittelerbringer muss also die gesetzliche Zuzahlung nicht an die Krankenkasse abführen, da diese seinen Vergütungsanspruch bereits um die Höhe der gesetzlichen Zuzahlung gekürzt hat. Damit ist es aber allein Sache des Hilfsmittelerbringers, ob er die Zuzahlung vom Versicherten einzieht oder hierauf verzichtet, wie es der Beklagte zulässigerweise getan hat.

 

Für die Praxis

Das Urteil des BGHs eröffnet zwar neue Werbemöglichkeiten. Die wirtschaftliche Konsequenz sollte man sich jedoch bewusst machen: Hilfsmittelerbringer und damit auch Hörakustiker können künftig auf die Einziehung der gesetzlichen Zuzahlung verzichten und damit auch werben. Dies ist weder wettbewerbsrechtlich problematisch noch verstößt der Hörakustiker damit gegen die Regelungen über die gesetzliche Zuzahlung. Denn Hörsysteme sind Hilfsmittel und bei diesen kürzt die Krankenkasse bereits die Vergütung um die Höhe der gesetzlichen Zuzahlung. Damit hat die Krankenkasse bereits die ihr zustehende gesetzliche Zuzahlung erhalten. Es ist allein Sache des Hörakustikers, diesen Betrag beim Versicherten geltend zu machen.  Macht er das, so hat er die volle Vergütung seiner Versorgung. Verzichtet er, so übernimmt er damit die gesetzliche Zuzahlung des Versicherten – denn die Krankenkasse kann und darf ihm diesen Betrag nicht erstatten. Derjenige, der dann am Ende gespart hat, ist allein der Versicherte. Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Alexandra Gödecke • biha

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