Foto: Pixelio/Tim Reckmann

In vielen Berufen gehören Telefonate und Kundengespräche zur Tagesordnung. Doch auch im Alltag wird telefoniert und an Gesprächen teilgenommen. Stellen nun berufliche Telefonate und Gespräche besondere Anforderungen an das Hörvermögen? Diese Frage beschäftigte das Sozialgericht Aachen (SG Aachen – S 13 R 135/15), das sich mit dem Versorgungsanspruch eines Personalvermittlers auseinandersetzen musste.

 

Sachverhalt

Der schwerhörige Personalvermittler benötigt ein Hörsystem zum Ausgleich seiner Schwerhörigkeit. Nachdem er eigenanteilsfreie Hörsysteme ausprobiert hatte, entschied er sich für ein Hörsystem mit Aufzahlung und unterzeichnete auch die entsprechende Mehrkostenerklärung. Dennoch forderte er in der Folge von der Rentenversicherung die ihm entstandenen Mehrkosten ein. Denn als Personalvermittler sei er – anders als andere Schwerhörige – auf ein „sehr gutes Sprachverständnis“ in den verschiedensten beruflichen Hörsituationen angewiesen. Zudem habe ihm sein Arbeitgeber bereits eine spezielle Telefonanlage besorgt, welche nur mit dem begehrten Mehrkostensystem genutzt werden könne. Mit dem aufzahlungsfreien Hörsystem könne die Telefonanlage dagegen nicht genutzt werden. Das sah die Rentenversicherung anders. Der Streit wurde dem zuständigen Sozialgericht Aachen zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Das angerufene Sozialgericht Aachen erteilte dem klagenden Personalvermittler eine eindeutige Absage. Zwar müsse jede Hörbehinderung unter Berücksichtigung des aktuellen Standes des medizinischen und technischen Fortschrittes möglichst weitgehend ausgeglichen werden. Dieser Anspruch sei jedoch durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt, sodass Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, vom Versicherten nicht beansprucht, vom Leistungserbringer nicht bewirkt und von der Krankenkasse nicht bewilligt werden dürfen. Ein Anspruch auf teure Hilfsmittel bestehe daher nicht, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet sei. Genau das war aber der Fall. Das dem Kläger angebotene eigenanteilsfreie Hörsystem war zum Ausgleich seiner Hörbehinderung objektiv ausreichend und wäre darüber hinaus auch mit einer FM-Anlage kompatibel gewesen.

Insbesondere erkannte das Gericht keinerlei besondere berufliche Anforderungen an sein Hörvermögen. Die vom Kläger dargelegten beruflichen Anforderungen „häufiges Telefonieren“, „Beratung in Einzel- und Gruppengesprächen“, „Begleitung von Vermittlungsmaßnahmen“, „Kundenbesuche in Betrieben“ sowie „Besprechungen/Konferenzen/Tagungen“ würden nicht über die Anforderungen hinausgehen, die auch im privaten Alltag zu bewältigen seien. Der Kläger sei weder aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit noch aufgrund der besonderen Verhältnisse am Arbeitsplatz auf ein spezielles Hörsystem angewiesen. Hieran ändere auch die vom Arbeitgeber inzwischen zur Verfügung gestellte Telefonanlage nichts. Denn die Ausstattung des Klägers mit speziellem Zubehör durch seinen Arbeitgeber könne nicht dazu führen, dass daraus ein Anspruch des Klägers gegen seine Rentenversicherung für ein nicht notwendiges Hörsystem entstehe.

 

Für die Praxis

Den Aussagen des Sozialgerichtes Aachen ist nicht mehr viel hinzuzufügen. Telefonieren und das Führen von Gesprächen sind Tätigkeiten, die gerade nicht ausschließlich in beruflichen Situationen vorkommen. Die eigenanteilsfreie Hörsystemversorgung muss demnach diese Bedürfnisse – soweit möglich – für alle Versicherten sicherstellen. Die Krankenkasse und damit auch die zur Leistungserbringung hinzugezogenen Hörakustiker sollen allen Versicherten das „bestmögliche Hören“ ermöglichen – und zwar ohne Aufzahlung. Mehrkosten fallen deshalb nicht für besseres Hören an, sondern nur für besondere Komfort- oder Ästhetikmerkmale. Diese Extras sind dann aber die freie Wahl des Versicherten, welche er auf eigene Kosten erwerben kann. Sie sind dagegen nicht notwendig, um die Hörbehinderung selbst auszugleichen.

Daher ist es auch nur konsequent, die Koppelungsfähigkeit des Mehrkostensystems mit einer vom Arbeitgeber beschafften Telefonanlage gerade nicht als Grund zur Übernahme von Mehrkosten durch die Rentenversicherung anzusehen. Wird die Hörminderung des Versicherten mit einem eigenanteilsfreien Hörsystem bestmöglich ausgeglichen und wünscht er ein teureres Hörsystem nur deshalb, weil er dieses mit einer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Telefonanlage koppeln kann, so ist auch dies nicht Sache der Rentenversicherung. Die Trennung zwischen „Ausgleich der Hörminderung“ und „Komfort und Ästhetik“ sollte daher im Rahmen der Versorgung stets beachtet werden. Ersteres ist als eigenanteilsfreie Leistung der Krankenkasse und damit auch des Hörakustikers geschuldet. Komfort und Ästhetik – auch wenn vorwiegend für berufliche Zwecke gewünscht – sind dagegen keine Leistungen, welche von der Solidargemeinschaft bezahlt werden dürfen. Das sollte dem Kunden rechtzeitig kommuniziert werden, um bereits im Vorfeld falsche Erwartungen und Enttäuschungen zu vermeiden. Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Alexandra Gödecke • biha

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