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Verstößt ein Betrieb systematisch gegen die Handwerksordnung, um so die Meisterpflicht zu umgehen, lässt das den Schluss zu, dass der Inhaber gewerberechtlich unzuverlässig ist. Diese Unzuverlässigkeit kann eine umfassende Gewerbeuntersagung nach sich ziehen. Im Ergebnis ist dann nicht nur der widerrechtlich geführte Betrieb zu schließen, sondern es wird dem Inhaber auch jede andere Selbstständigkeit verboten. So entschied es das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg (Az. OVG 1 N 66.14).

Sachverhalt

Kläger vor dem OVG war ein Friseurmeister aus Berlin. Im Laufe der Jahre beteiligte er sich an über 90 Personengesellschaften, die jeweils einen Friseursalon betrieben. Die Eintragung in der Handwerksrolle beruhte bei allen Betrieben ausschließlich auf der Qualifikation des Friseurmeisters. Die Mitgesellschafter verfügten allesamt über keinen Meisterbrief. Zuletzt war der Friseurmeister an 15 Friseurgeschäften allein im Bezirk Berlin-Mitte sowie an zehn weiteren Salons außerhalb dieses Stadtbezirkes beteiligt. So sollte der Rubel rollen: für die vielen Mitgesellschafter, die sich ohne Meisterbrief verselbstständigten, und für den Friseurmeister, der an allen Friseurgeschäften beteiligt war. Doch der Traum platzte. Die zuständige Berliner Gewerbebehörde sah in den planmäßigen Beteiligungen des Friseurmeisters an einer Vielzahl von Friseurläden, für die er jeweils selbst als Betriebsleiter benannt wurde, eine gezielte Umgehung der Handwerksordnung. Die Gewerbebehörde hielt die Verstöße für so gravierend, dass sie dem Friseurmeister für die Zukunft jede selbstständige gewerbliche Tätigkeit verbot. Gegen den Untersagungsbescheid zog der Friseurmeister vor das Verwaltungsgericht Berlin. Das Verwaltungsgericht wies die Klage jedoch ab. Daraufhin beantragte der Friseurmeister beim OVG Berlin-Brandenburg die Zulassung der Berufung, um so die Gewerbeuntersagung doch noch zu kippen. Doch das OVG sah keinen Grund, an der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu zweifeln und wies den Antrag des Friseurmeisters ab. Die Gewerbeuntersagung wurde damit rechtskräftig.

 

Entscheidungsbegründung

Die von der Gewerbebehörde ausgesprochene Gewerbeuntersagung hat ihre Rechtsgrundlage in der Gewerbeordnung. Eine Selbstständigkeit kann untersagt werden, wenn sich der Gewerbetreibende als unzuverlässig erwiesen hat und wenn die Untersagung erforderlich ist, um die Allgemeinheit oder die Beschäftigten zu schützen. Der klagende Friseurmeister hielt sein Verhalten für in Ordnung. Er sei durchaus in der Lage, die 25 Betriebe, an denen er beteiligt war, gleichzeitig zu leiten. So besuche er die Friseurgeschäfte regelmäßig, und dann schule er auch die Mitarbeiter. Zudem sei er für seine zahlreichen Mitgesellschafter jederzeit erreichbar. Davon abgesehen hielt der Friseurmeister eine umfassende Gewerbeuntersagung auch für unverhältnismäßig. Verstöße gegen die Handwerksordnung könnten schließlich nur bei Handwerksbetrieben vorkommen. Ihm auch jede andere Selbstständigkeit zu untersagen, sei daher übertrieben. Die Gewerbebehörde sah das allerdings völlig anders und wurde darin von den Gerichten bestätigt. Der Friseurmeister habe im Zusammenwirken mit seinen diversen Mitgesellschaftern die Handwerksordnung, die für eine Selbstständigkeit als Friseur den Meisterbrief voraussetzt, systematisch umgangen. Zielgerichtet habe er einer Vielzahl von fachlich nicht geeigneten Personen die Selbstständigkeit als Friseur ermöglicht, indem er sich an den Betrieben beteiligte und als Meister zur Verfügung stellte. Dadurch habe sich der Friseurmeister gewerberechtlich als unzuverlässig erwiesen. Die Unzuverlässigkeit liege darin, dass er durch sein Verhalten, ähnlich wie ein Strohmann, einem systematischen Gesetzesverstoß Vorschub leistete. Die vielfältigen Aufgaben eines Meisters würden deutlich mehr erfordern als eine vom Gericht so genannte „Fernsteuerung von außen“ und gelegentliche Anleitung der Mitarbeiter. Der Betriebsleiter müsse tatsächlich in der Lage sein, bestimmenden Einfluss auf die jeweilige Betriebsstätte zu nehmen. Er habe den Arbeitsablauf zu steuern und dürfe sich nicht auf eine bloße Ergebniskontrolle beschränken. Auch eine jederzeitige Erreichbarkeit ersetze nicht die tatsächliche Betriebsleitung. Und bei gefahrgeneigten Handwerken seien besonders hohe Anforderungen an die Anwesenheit des Betriebsleiters zu stellen. Aufgrund des systematischen Vorgehens des Friseurmeisters, der gezielt die Meisterpflicht umging, sei es auch gerechtfertigt, ihm für die Zukunft jede Selbstständigkeit zu verbieten. Die planmäßige Umgehung des Handwerksrechtes führe zu einem so starken Vorwurf der Unzuverlässigkeit, dass ein Durchschlagen auch außerhalb des Friseurhandwerkes zu befürchten sei.

 

Für die Praxis

Der selbstständige Betrieb eines meisterpflichtigen Handwerkes ohne ordnungsgemäße Eintragung in der Handwerksrolle hat verschiedene und weitreichende Folgen. So muss der Betriebsinhaber etwa eine Geldbuße, die auf Grundlage der Handwerksordnung verhängt wird, befürchten. In schwerwiegenden Fällen ist auch ein deutlich erhöhtes Bußgeld nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz möglich. Darüber hinaus kann dem Inhaber die weitere Ausübung seines widerrechtlich geführten Betriebes untersagt werden. Eine solche Betriebsuntersagung ist mit einem Zwangsgeld verbunden, das fällig ist, wenn der untersagte Handwerksbetrieb nicht beendet wird. Doch es kann für den Betriebsinhaber noch schlimmer kommen, wie der vorliegende Fall zeigt: Wer gezielt die Vorschriften der Handwerksordnung umgeht und so der unrechtmäßigen Handwerksausübung bewusst Vorschub leistet, muss mit einer umfassenden Gewerbeuntersagung rechnen. Der Traum von der Selbstständigkeit ist dann endgültig geplatzt – und zwar nicht nur in Bezug auf den einzelnen Betrieb, der widerrechtlich geführt wurde, sondern generell. In der Praxis enthält eine umfassende Gewerbeuntersagung außerdem oft noch den Zusatz, dass sogar eine Tätigkeit als angestellter Betriebsleiter verboten wird: Damit entfällt dann auch die Möglichkeit, ein reguläres Beschäftigungsverhältnis als handwerklicher Betriebsleiter anzunehmen. Der vormals mit viel Mühe erworbene Meisterbrief ist dann weitgehend wertlos. Das war übrigens auch im vorliegenden Fall so: Der Friseurmeister darf sich weder erneut selbstständig machen, noch als angestellter Betriebsleiter in die Handwerksrolle eingetragen werden.

Grundsätzlich gilt: Ein Meister pro Fachgeschäft. Diese einfache Regel gilt für das Friseurhandwerk ebenso wie für die Hörakustik. Ausnahmen sind nur sehr begrenzt möglich. Und das aus gutem Grund: Schließlich arbeiten beide Handwerke unmittelbar mit und am Menschen. Sowohl beim Friseur und erst recht beim Hörakustiker können fehlerhafte Arbeiten erhebliche Folgen für die Gesundheit haben: Färben und Haarveränderung mit gefährlichen Chemikalien hier, eine Schädigung des Ohres und des noch vorhandenen Hörvermögens dort. Die strenge Meisterpflicht im Gesundheitshandwerk ist kein Selbstzweck, sondern gelebter Verbraucherschutz. Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Matthias Schober • biha

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