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Die Versorgung mit CROS- beziehungsweise BICROS-Systemen kann sowohl kabelgebunden als auch kabellos erfolgen. Bei erwachsenen Schwerhörigen übernimmt die Krankenkasse jedoch regelmäßig nur die Kosten der erforderlichen kabelgebundenen Versorgung. Viele Schwerhörige wünschen sich aber eine kabellose Funkversorgung, da diese sowohl unauffälliger als auch einfacher in der Handhabung ist. Beides hat jedoch mit dem Ausgleich der Hörminderung wenig zu tun.

 

Sachverhalt

Den Wunsch nach einer kabellosen Funk-CROS-Versorgung hatte auch ein Versicherter der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der auf einem Ohr fast ertaubt war. Die ihm als Sachleistung seiner Krankenkasse angebotene kabelgebundene CROS-Versorgung lehnte er ab. Die von ihm gewünschte Funk-CROS-Versorgung war jedoch mit Kosten über dem Vertragspreis verbunden. Da die Krankenkasse die Übernahme dieser Mehrkosten ablehnte, klagte der Versicherte zunächst auf die gewünschte Sachleistung – und verlor. Daraufhin erwarb der Versicherte die Funk-CROS-Versorgung kurzerhand selbst und klagte sodann in zweiter Instanz auf Kostenerstattung.

 

Entscheidungsgründe

Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (Az. L 6 KR 36/16) erteilte dem Kläger jedoch auch im zweiten Anlauf eine Absage, da ein erheblicher Gebrauchsvorteil der gewünschten Funk-CROS-Versorgung nicht nachgewiesen worden sei. Damit stehe dem Wunsch des Klägers aber das Wirtschaftlichkeitsgebot des Paragrafen 12 Sozialgesetzbuch (SGB) V entgegen, wonach die GKV lediglich den erforderlichen Behinderungsausgleich schulde. Zwar behaupte der Kläger, mit der Funk-CROS-Versorgung besser zu hören, dies ergebe sich jedoch nicht aus den objektiven Messungen des Hörakustikers. Denn nach dem Anpassbericht sei mit der CROS-Versorgung das gleiche Sprachverstehen erreicht worden wie mit der Funk-CROS-Versorgung. Der subjektive Eindruck des Klägers sei demgegenüber nicht entscheidend, da dieser von den objektiven Messergebnissen nicht gestützt werde. Gleiches gelte für eine vom Kläger zitierte ärztliche Stellungnahme, welche sich für die Funk-CROS-Verbindung aussprach. Auch diese könne nicht berücksichtigt werden, da sie sich nicht in den objektiven Messergebnissen widerspiegele.

Das Gericht ging zudem davon aus, dass der Kläger sich in erster Linie aufgrund von Bequemlichkeit und Komfortvorteilen für eine kabellose Funk-CROS-Versorgung entschieden habe. So enthielt der Anpassbericht den Hinweis, dass der Kläger keine kabelgebundene CROS-Versorgung wünsche, da die Handhabung und der kosmetische Aspekt gegenüber der Funk-CROS-Versorgung nachteilig seien. Wie das Gericht zutreffend ausführt, stellen aber weder Komfort noch Ästhetik einen im Rahmen der Sachleistung zu berücksichtigenden Gebrauchsvorteil dar.

Schließlich könne der Kläger sich auch nicht darauf stützen, dass die kabelgebundene CROS-Versorgung reparaturanfälliger sei. Soweit seine bisherige kabelgebundene CROS-Versorgung bis zu zweimal jährlich Kabelbrüche aufgewiesen habe, handele es sich hierbei um „seltene“ Defekte, für welche zudem eine temporäre Ersatzversorgung sichergestellt sei. Außerdem könne auch bei einer Funkverbindung das Auftreten von Defekten (mit dann höheren Reparaturkosten) nicht ausgeschlossen werden.

 

Für die Praxis

Das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern ist unter mehreren Gesichtspunkten interessant – nicht nur für (BI)CROS-Versorgungen. So betont das Urteil richtigerweise die Bedeutung objektiver Messergebnisse – welche dem subjektiven Eindruck des Versicherten oder seiner beratenden Ärzte stets vorgehen. Die vergleichende Anpassung mit einem geeigneten eigenanteilsfreien Angebot ist daher extrem wichtig, um solche objektiven Messergebnisse vorweisen zu können. Für eine vertragsgemäße Versorgung muss mit dem eigenanteilsfreien Angebot mindestens ein gleichwertiges Sprachverstehen wie mit dem zuzahlungspflichtigen Hörsystem erreicht werden. Gibt der Versicherte von Anfang an zu verstehen, kein eigenanteilsfreies Angebot zu wünschen, sollte dies in jedem Fall dokumentiert werden, um die vertragsgemäße Versorgung nachweisen zu können. Im Übrigen stellen weder Komfort noch Ästhetik Gebrauchsvorteile dar. Entsprechende Wünsche des Versicherten sind von diesem zu bezahlen und fallen nicht der GKV zur Last. Die Versichertengemeinschaft kommt allein für den bestmöglichen Ausgleich der Hörminderung auf. Es ist daher wichtig, dem Versicherten diese Grenze deutlich aufzuzeigen, um langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden.

Auch die Gefahr des Kabelbruchs bei der kabelgebundenen CROS-Versorgung kann den Anspruch auf eine Funk-CROS-Versorgung nicht begründen. Denn auch Funk-CROS-Versorgungen können Defekte aufweisen, verursachen dann aber weitaus höhere Reparaturkosten. Zudem stellen die Versorgungsverträge eine temporäre Ersatzversorgung während der Reparatur stets sicher. Sofern volljährige Kunden explizit den Wunsch nach einer kabellosen Funk-CROS-Versorgung äußern, sollten diese daher stets darauf hingewiesen werden, dass etwaige Mehrkosten in der Regel nicht von der GKV übernommen werden.

Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Alexandra Gödecke • biha

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