Und täglich grüßt das Murmeltier: Wieder einmal musste sich ALDI SÜD wegen seiner Preiswerbung vor Gericht verantworten. In einem Prospekt warb der Discounter mit satten Rabatten. Dabei wurden Preisnachlässe wie etwa „–23 %“ beworben. Das Problem: Die angegebenen Ermäßigungen bezogen sich nicht auf den niedrigsten Preis, den ALDI in den letzten 30 Tagen verlangt hatte, sondern allein auf die unverbindliche Preisempfehlung (UVP) des Herstellers. Genau das widerspricht jedoch dem § 11 der Preisangabenverordnung (PAngV). Das Landgericht Düsseldorf stellte daher klar: Wer mit Rabatten wirbt, muss den tatsächlichen 30-Tage-Tiefstpreis zugrunde legen, nicht einen Vergleichswert, der mit dem eigenen bisherigen Verkaufspreis im Zweifel gar nichts zu tun hat.
Sachverhalt
Im Herbst 2024 wollte ALDI SÜD seine Kundschaft mit einer vermeintlich großen Ersparnis locken. In einem Wochenprospekt prangte die Überschrift „Deine Marken noch günstiger. Bis zu –48 % sparen“. Auf Seite 10 standen sechs Artikel, fünf Lebensmittel und ein Waschmittel – in weißen Preisfeldern: mittig der Aktionspreis, rechts unten ein durchgestrichener Referenzwert, rechts oben eine rote Prozentzahl. Am Beispiel eines Energygetränks, das laut Hersteller „Flügel verleiht“, lautete die Rechnung: 0,99 € statt „UVP 1,29 €“ und dazu „–23 %“. Mathematisch stimmte das – verschwiegen wurde allerdings, ob die Dose in den letzten 30 Tagen jemals mehr gekostet hatte und welcher Preis in diesem Zeitraum tatsächlich der niedrigste war. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mahnte den Händler ab, erhielt jedoch keine Unterlassungserklärung und klagte schließlich vor dem Landgericht Düsseldorf.
Entscheidungsgründe
Das Gericht verurteilte den Discounter zur Unterlassung der beanstandeten Werbung. Die Anzeige verstößt gegen § 11 Abs. 1 PAngV, wonach bei jeder Preisermäßigung der niedrigste Gesamtpreis der letzten 30 Tage anzugeben ist.
ALDI SÜD argumentierte, man habe lediglich eine unverbindliche Herstellerempfehlung gegenübergestellt, eine seit Jahrzehnten gängige Praxis. Das Gericht räumte ein, dass UVP-Angaben grundsätzlich zulässig sind, stellte aber klar: Wirkt das Werbemittel wie eine Rabattanzeige, ist Vorsicht geboten. Die Gestaltung – Überschrift „noch günstiger“, rote Prozentangabe, durchgestrichene Preise – vermittelt dem Durchschnittsverbraucher eindeutig den Eindruck einer Preisermäßigung. In dieser Form wird die UVP als früherer ALDI-Preis verstanden. Der Händler muss also den tatsächlichen 30-Tage‑Tiefstpreis offenlegen. Unterbleibt das, ist die Information unvollständig und damit unlauter. Dass die UVP nichts über die Preishistorie des Händlers aussagt, spielt keine Rolle. Selbst wenn ALDI zeitweise 1,29 Euro verlangt hätte, hätte dies klar ausgewiesen werden müssen. Ein mehrdeutiger Streichpreis reicht nicht.
Für die Praxis: Richtig werben mit Rabatten
Rabattaktionen haben enorme Zugkraft: Sie können den entscheidenden Impuls geben, sich für ein hochwertiges Hörsystem zu entscheiden. Seit der Reform der Preisangabenverordnung (PAngV) ist dabei jedoch erhöhte Sorgfalt geboten. § 11 Abs. 1 PAngV verpflichtet jeden Unternehmer, der gegenüber Verbrauchern eine Preisermäßigung bekannt gibt, den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben, den er für die beworbene Ware in den letzten 30 Kalendertagen verlangt hat. Erreicht werden soll damit, dass Rabattversprechen wirklich halten, was sie versprechen und demzufolge überhöhte Mondpreise dauerhaft der Vergangenheit angehören.
Wann gilt eine Preisermäßigung laut PAngV?
Der erste Praxisschritt lautet daher: sorgfältig prüfen, ob überhaupt eine Preisermäßigung im Sinne des § 11 PAngV vorliegt, denn der Anwendungsbereich wird schneller eröffnet, als man denkt. Bereits ein einzelnes werbliches Element – ein durchgestrichener Preis, eine Prozentangabe wie „–15 %“ oder eine Formulierung wie „jetzt günstiger“ – genügt. Dagegen lösen neutrale Preisangaben wie „Hörsystem XY – 2.300 €“ oder echte Einführungspreise für neue Produkte die Pflicht zur Angabe des Referenzpreises nicht aus.
Auch die Angabe einer unverbindlichen Preisempfehlung ist grundsätzlich zulässig, vorausgesetzt, sie ist klar und eindeutig als solche gekennzeichnet und wird nicht durch Gestaltung oder Kontext als Hinweis auf eine Preisermäßigung verstanden. Sobald jedoch Rabatte oder Streichpreise danebenstehen, spricht nach Auffassung des Landgerichts Düsseldorf vieles dafür, dass Verbraucher die UVP als früheren Preis des Händlers deuten. Ob man diese Einschätzung des Gerichts nun teilt, dürfte für die Praxis zweitrangig sein. Solange keine höchstrichterliche Klärung vorliegt, ist Vorsicht die bessere Strategie.
Referenzpreis: Wann angeben und wo dokumentieren?
Liegt eine Preisermäßigung vor, ist Transparenz erforderlich. Der niedrigste Gesamtpreis der letzten 30 Tage muss dann in der Regel in der Werbung selbst angegeben werden, und zwar immer dann, wenn die Ermäßigung ausdrücklich bekannt gemacht wird. Das gilt für Onlineangebote ebenso wie für Prospekte, Plakate oder Anzeigen. Keine Pflicht zur Angabe besteht hingegen, wenn die Werbung keine erkennbare Bezugnahme auf eine Ermäßigung enthält, etwa bei reinen Preisangaben ohne Vergleich. Auch im persönlichen Beratungsgespräch oder bei individuell vereinbarten Preisnachlässen ist eine Veröffentlichung nicht erforderlich.
Für die Praxis bedeutet das: Das Unternehmen sollte nachvollziehen können, wie sich der Bruttopreis eines Produkts in den letzten 30 Kalendertagen entwickelt hat. Ohne diese Datengrundlage drohen fehlerhafte Angaben oder ein unzulässiger Verzicht auf die Angabe. Beides kann rechtlich angreifbar sein.
Das Gesetz macht keine detaillierten Vorgaben zur Platzierung der Referenzpreisangabe. Maßgeblich ist die Sichtweise eines durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbrauchers. Es empfiehlt sich deshalb ein klarer, transparenter Hinweis, beispielsweise durch ein Sternchen mit erläuterndem Zusatz wie „*Niedrigster Preis der letzten 30 Tage“. Unzulässig ist es hingegen, den früheren Preis in einer schwer auffindbaren Fußnote ohne auflösenden Sternchenhinweis zu verstecken.
Bei allgemeinen Rabattankündigungen wie „20 % auf alles“ ohne Bezugnahme auf konkrete vorherige Preise ist die Angabe des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage nicht erforderlich.
Medizinprodukte: Barrabatte erlaubt
Hörakustikunternehmen wissen dies längst: Werbegaben im Zusammenhang mit dem Verkauf von Hörsystemen sind nach § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) grundsätzlich unzulässig. Der Gesetzgeber hatte dabei neben den Medizinprodukten primär Arzneimittel im Blick und wollte verhindern, dass sich Verbraucher durch kleine Geschenke zu einer unkritischen Selbstmedikation verleiten lassen, also ein Produkt nur deshalb erwerben, weil es dazu etwas gratis gibt. Was auf den ersten Blick plausibel klingt, wird allerdings durch die gesetzlichen Ausnahmen im selben Paragrafen konterkariert.
Denn neben der klassischen „geringwertigen Kleinigkeit“ ist auch ein Preisnachlass, also ein Barrabatt, ausdrücklich erlaubt. Und hier liegt der eigentliche Widerspruch: Während etwa ein 20-Euro-Gutschein für eine Buchhandlung als unzulässige Werbegabe beim Kauf eines mehrere Tausend Euro teuren Hörsystems gilt, weil angeblich unsachlich beeinflussend, darf problemlos 90 % Rabatt auf eben dieses Hörsystem gewährt werden. Klingt paradox und ist es auch. Das zeigt: Das Gesetz ist an dieser Stelle schlicht reformbedürftig. Trotzdem: Wer rechtssicher agieren will, muss sich an die geltenden Vorgaben halten, auch wenn diese im Einzelfall wenig überzeugend erscheinen oder gar widersprüchlich wirken.
Das Urteil lesen Sie hier.
Patrick Frank, Syndikusrechtsanwalt, Bundesinnung der Hörakustiker (biha) KdöR
„Hörakustik“ – einfach mehr wissen