Symbolbild: Ein rotes Männchen in Kegelform steht vielen weißen Männchen in Kegelform gegenüber.
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Wer heute als Betrieb im Hörakustikerhandwerk Fachkräfte sucht, muss bei der Formulierung von Stellenanzeigen besonders sorgfältig vorgehen, denn kleine Formulierungen können rechtlich große Auswirkungen haben – das zeigt ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz. 

 

Sachverhalt

Ein Unternehmen aus Rheinland-Pfalz veröffentlichte eine Stellenanzeige, in der gezielt „Berufseinsteiger oder Bewerber mit ca. sechs Jahren Berufserfahrung“ angesprochen wurden. Die Anzeige war visuell mit Bildern jüngerer Personen gestaltet, u. a. einer etwa 30-jährigen Frau sowie eines vierköpfigen Teams, das im unteren Bereich mit dem Hinweis „Dein Recruiting Team“ samt Durchwahlnummern vorgestellt wurde. Ein 49-jähriger Jurist mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung bewarb sich auf diese Stelle und erhielt eine Absage. Sein Lebenslauf zeigte seit 2013 mehrere längere Beschäftigungslücken. Zudem war er in seinen letzten vier Arbeitsverhältnissen nie länger als sechs Monate tätig. Der Bewerber klagte auf Entschädigung wegen Altersdiskriminierung in Höhe von vier Jahresgehältern. Das Arbeitsgericht Koblenz gab ihm zunächst recht. In der zweiten Instanz wies das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 05.12.2024, Az.: 5 SLa 81/24 die Klage jedoch ab.

 

Entscheidungsgründe

Das LAG Rheinland-Pfalz stellte klar, dass für den Bewerber kein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bestand. Der Bewerber konnte nicht überzeugend darlegen, dass seine Absage im Bewerbungsverfahren auf sein Alter zurückzuführen war. Die Richter sahen keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 AGG. Die Stellenanzeige richtete sich an „Berufseinsteiger“ oder Juristen, die „bis ca. sechs Jahre Berufserfahrung“ besitzen. Aus dieser Formulierung lässt sich keine Diskriminierung älterer Bewerber ableiten, so das Landesarbeitsgericht.

 

Keine fixe Obergrenze

Im Kern ging es um die Auslegung der Stellenanzeige. Diese richtete sich zwar vorrangig an Berufseinsteiger oder Bewerber mit ca. sechs Jahren Berufserfahrung. Der Zusatz „ca.“ machte jedoch deutlich, dass es sich nicht um eine feste Obergrenze handelte. Damit unterscheidet sich die Stellenausschreibung von anderen Stellenannoncen, die in der Vergangenheit als diskriminierend angesehen wurden. In diesen Fällen wurde jeweils eine Formulierung gewählt, wie beispielsweise „Berufseinsteiger mit bis zu fünf Jahren Berufserfahrung“ gesucht und folglich eine starre Obergrenze genannt. Mit der Verwendung einer Circa-Angabe hat sich das ausschreibendende Unternehmen bewusst von starren Obergrenzen abgegrenzt und zum Ausdruck gebracht, dass dies lediglich ein Orientierungspunkt ist. Abweichungen hiervon stellen kein Ausschlusskriterium dar.

 

Begrenzte Aussagekraft von abgebildeten Personen

Auch die Gestaltung der Anzeige mit Bildern jüngerer Personen führte nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu einer Diskriminierung. Die verwendeten Bilder vermittelten nicht den Eindruck, dass ausschließlich junge Menschen für die juristische Beratung gesucht wurden. Würde man nämlich der Argumentation folgen, dürften schlussendlich überhaupt keine Personen in Stellenanzeigen verwendet werden. Anderenfalls liefe jeder Arbeitgeber Gefahr, Bewerber zu benachteiligen, wenn bestimmte Personengruppen, etwa aufgrund von Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft, einer Behinderung oder anderen Merkmalen, nicht berücksichtigt werden. Zudem existiert kein Erfahrungssatz, der besagt, dass das Alter der in einer Stellenanzeige abgebildeten Personen Rückschlüsse auf das gewünschte Alter der Bewerber zulässt. Im konkreten Fall kam hinzu, dass auf den genutzten Bildern keine Models oder fiktiven Personen gezeigt wurden, sondern reale Mitarbeiter des Unternehmens und insbesondere die Vierergruppe, die das Personalrecruitingteam des Unternehmens zeigte. Der Umstand, dass der ausschreibende Betrieb nicht Menschen jeder Altersstufe abgebildet hat, sondern im Vergleich zum klagenden Bewerber nur Personen jüngeren Alters, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme einer daraus resultierenden Benachteiligung.

 

Lebenslaufanalyse bedeutet nicht Altersdiskriminierung

Arbeitgebern steht es frei, die Lebensläufe der Bewerber zu analysieren und kritisch zu prüfen. Aus diesem Umstand alleine kann keine Altersdiskriminierung geschlossen werden. Lücken im Lebenslauf oder auffällig kurze Beschäftigungszeiten sind altersunabhängig und können bei Arbeitnehmern jedes Alters auftreten. Bei jungen Bewerbern können beispielsweise abgebrochene Studiengänge oder Lücken nach und während des Studiums einen ungünstigen Eindruck hervorrufen. Aus der alltäglichen Praxis ergibt sich auch nicht, dass mit steigendem Lebensalter zwangsläufig eine „gewisse Brüchigkeit“ des Lebenslaufs und „nachlassende Stringenz“ mit einhergeht.

Der klagende Bewerber war innerhalb von elf Jahren bei vier Arbeitgebern beschäftigt. Drei dieser Anstellungen dauerten jeweils nur sechs Monate und eine Anstellung 20 Monate. Damit stand der Bewerber in diesen knapp elf Jahren lediglich drei Jahre und zwei Monate in einem Beschäftigungsverhältnis. Das Unternehmen vermutete aufgrund der einzelnen beruflichen Stationen des Juristen, dass er in drei seiner letzten vier Arbeitsverhältnisse die Probezeit wegen schwacher Leistungen nicht überstanden hat. Alternativ hatte er kein wirkliches Interesse an einer langfristen Zusammenarbeit mit den jeweiligen Unternehmen.

 

Freiheiten des Unternehmens bei der Bewerberauswahl

Die ausschreibende Firma ging davon aus, dass der Volljurist in der übrigen Zeit von mehr als sieben Jahren keiner regelmäßigen Tätigkeit nachgegangen ist. Diese Schlussfolgerung konnte sie auch ohne Weiteres ziehen. Ob diese Einschätzung korrekt war, ist für die Frage einer Diskriminierung wegen eines nach § 1 AGG verpönten Merkmals unerheblich. Die Bewertung beruflicher Stationen ist Teil des Auswahlprozesses und unterliegt dem unternehmerischen Ermessen, solange keine diskriminierenden Motive erkennbar sind. Für private Arbeitgeber besteht keine Verpflichtung, Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, um sich die Besonderheiten des beruflichen Werdegangs erläutern zu lassen. Auch müssen sich Privatunternehmen nicht an das Prinzip der „Bestenauslese“ halten, im Gegensatz etwa zu öffentlichen Arbeitgebern. Solange die Auswahlentscheidung nicht auf einem durch das AGG verbotenen Merkmal basiert, bleibt dem Arbeitgeber Spielraum in der Bewerberauswahl.

 

Gesamtbetrachtung: Kein Verstoß gegen das AGG

Abschließend sah das Gericht keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass der Bewerber aufgrund seines Alters benachteiligt wurde. Weder die Wortwahl in der Anzeige noch die Entscheidung des Unternehmens gegen eine Einladung zum Vorstellungsgespräch begründen eine altersbezogene Diskriminierung.

 

Für die Praxis

Das Urteil verdeutlicht, wie entscheidend die präzise Wortwahl in Stellenanzeigen ist und wie groß die Auswirkungen des kleinen Wortes „circa“ sein können. Hätte diese Öffnung der geforderten Berufserfahrung gefehlt, hätte das Verfahren möglicherweise anders geendet. Indem sich das Unternehmen mehr oder weniger bewusst gegen starre Obergrenzen entschieden hat, konnte es die Einwände der altersbezogenen Benachteiligung entkräften. Insgesamt gilt es, sorgfältig zu prüfen, welche Formulierungen konkret verwendet werden, um sich nicht angreifbar zu machen. Einige Beispiele, die bereits in der Vergangenheit vor Gericht gelandet sind, können überaus lehrreich sein, sodass wir sie für die Betriebe im Hörakustikerhandwerk zusammengetragen haben.

 

Junges Team

Die Begriffe „junges Team“, „dynamische Verstärkung“ oder gar „frisch aus der Ausbildung“ klingen auf den ersten Blick positiv, sind aber juristisch heikel. Sie suggerieren, dass bestimmte Altersgruppen bevorzugt oder andere ausgeschlossen werden. Gerade ältere Bewerber könnten sich dadurch nicht angesprochen fühlen, obwohl sie das Anforderungsprofil durchaus erfüllen. Als Grundregel gilt also, dass alle Formulierungen, die Rückschlüsse auf ein gewisses Alter des zukünftigen Mitarbeiters haben könnten, in einer Stellenausschreibung nichts zu suchen haben. Ist es für den Betrieb hingegen erforderlich, dass der neue Mitarbeiter eine gewisse Berufserfahrung erworben hat, kann dieses Kriterium selbstverständlich in der Stellenanzeige gefordert werden. Um den passenden Bewerberkreis anzusprechen, kann beispielsweise mehrjährige oder umfangreiche Berufserfahrung gefordert werden. Eine Alternative wäre auch die Forderung nach einer „der Position angemessenen Berufserfahrung“. Auch Einsteiger lassen sich wertschätzend ansprechen, etwa durch Formulierungen wie „auch für Kandidaten mit erster Berufserfahrung geeignet“.

 

Digital Natives

Ein weiteres Beispiel aus der Rechtsprechung betrifft den Begriff „Digital Native“. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte jüngst über die Formulierung „Als Digital Native fühlst du Dich in der Welt der Social Media, der datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen … zu Hause“ in einer Stellenannonce zu entscheiden. Das Gericht beschäftigte sich eingehend mit der Definition des Begriffs „Digital Native“ und sah hierin eine unmittelbare Altersdiskriminierung. Geklagt hatte ein 1972 geborener Bewerber, der trotz einschlägigem Lebenslauf nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Legt man den Begriff näher aus, steht dieser für eine Generation, die von Kindesbeinen an die digitale Sprache von Computern, Videospielen und Internet verwende. In Abgrenzung dazu wird für Personen, die diese Welt erst im Erwachsenenalter kennengelernt haben, die Bezeichnung „Digital Immigrant“ oder „digitaler Einwanderer“ verwendet. Da die Firma Microsoft 1975 gegründet wurde und der erste Personal Computer erst im gleichen Jahr auf den Markt kam, kann zumindest für Jahrgänge, die vor 1980 geboren sind, ausgeschlossen werden, dass diese zu der Generation der „Digital Natives“ gehören. Wird entsprechendes Know-how für eine Position benötigt, sollten diese Anforderungen altersneutral beschrieben werden: „Sie verfügen über fundierte Kenntnisse in digitalen Anwendungen“ oder „Sie sind versiert im Umgang mit sozialen Medien und Onlinetools“ bieten sich gut an.

 

Weiblich, männlich, divers

Besonderes Augenmerk sollten Arbeitgeber auf die geschlechtsneutralen Anzeigenerstellung legen. Hier gibt es mehrere Gestaltungsmöglichkeiten. Der Zusatz (m/w/d) für „männlich/weiblich/divers“ ist inzwischen Standard und signalisiert Offenheit gegenüber allen Geschlechtsidentitäten. Des Weiteren gibt es die Option, ein Gendersternchen (*) mit aufzunehmen, um Personen jedes Geschlechts anzusprechen. Alternativ können neutrale Formulierungen verwendet werden wie „Ausbildungsplatz im Hörakustikerhandwerk“ oder „Verstärkung im Büro gesucht“. Vorsicht ist geboten bei Bezeichnungen wie „Bürokauffrau“, „Buchhalter“ oder „Putzfrau“. Diese sprechen nur ein Geschlecht an und könnten gegen das AGG verstoßen.

 

Fazit

Trotz aller Fallstricke darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Unternehmen grundsätzlich frei darin sind, ihre Stellenprofile nach den eigenen betrieblichen Erfordernissen zu gestalten – solange dabei keine Bewerbergruppe benachteiligt wird. Die unternehmerische Freiheit erlaubt es, bestimmte Anforderungen an Bewerber zu stellen, sofern diese sachlich nachvollziehbar und in direktem Zusammenhang mit der ausgeschriebenen Tätigkeit stehen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Erwägungen des Arbeitgebers, die ihn zu dem Stellenprofil bewogen haben, begründen lassen. In der Regel wird dies aber unproblematisch der Fall sein. Der Arbeitgeber sollte bei der Stellenanzeige immer im Blick haben, ob die geforderten Fähigkeiten oder Merkmale für die auszuübenden Tätigkeiten und zur Verwirklichung der unternehmerischen Ziele erforderlich sind. Für Betriebe im Hörakustikerhandwerk bedeutet das, dass Formulierungen in Stellenanzeigen stets mit einem kritischen Blick auf mögliche Diskriminierungspotenziale geprüft werden sollten. So lassen sich rechtliche Risiken vermeiden und gleichzeitig ein breiter, vielfältiger Bewerberkreis ansprechen.

Das Urteil lesen Sie hier.

Stephanie Graeff, Syndikusrechtsanwältin, Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha)

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