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Entscheidet sich ein Arbeitnehmer zur Kündigung des Arbeitsvertrags, kann ein Arbeitgeber den Angestellten unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen unwiderruflich von der Arbeit freistellen. Dies kann einvernehmlich geschehen oder durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers, wenn ein besonderes berechtigtes Interesse besteht. In dem Fall, den das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein mit Urteil vom 26.03.2024 (Az.: 1 Sa 168/23) zu entscheiden hatte, konnte der Mitarbeiter den Zeitraum des Erholungsurlaubs eigenständig festlegen. Ob dies durch konkludente Erklärungen des Arbeitnehmers erfolgt war, hatte das LAG zu entscheiden. Das LAG lehnte einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Urlaubsabgeltung wegen nicht genommenen Urlaubs ab und gab dem Arbeitgeber damit recht.

 

Sachverhalt

Ein langjähriger Mitarbeiter kündigte im Dezember 2022 das bestehende Arbeitsverhältnis. Mit Einverständnis des Betriebs beendete der Arbeitnehmer seine reguläre Tätigkeit Anfang Februar 2023. Zu diesem Zeitpunkt standen dem Arbeitnehmer noch 79 Tage geleistete Mehrarbeitsstunden zu, die in Freizeit ausgeglichen werden sollten. Darüber hinaus hatte er noch insgesamt 22 Urlaubstage aus den Jahren 2022 und 2023. In der darauffolgenden Kommunikation informierte der Mitarbeiter, dass eine Übergabe an einen möglichen Nachfolger im Zeitraum vom 11.02. bis zum 10.03.2023 nicht erfolgen könne, da er in diesem Zeitraum einen längeren Auslandsaufenthalt plane und deshalb nicht verfügbar sei. Er teilte jedoch mit, dass er „auch während seines Urlaubs ab dem 13.02.“ für das Unternehmen erreichbar sei und für Rückfragen zur Verfügung stehe. Im Juni 2023 erkrankte er schließlich.

Der scheidende Mitarbeiter war der Ansicht, dass er seinen Erholungsurlaub noch nicht angetreten habe, sondern lediglich den Freizeitausgleich für die geleistete Mehrarbeit in Anspruch genommen habe. Aufgrund seiner Erkrankung im Juni konnte er den Urlaub bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen. Vor dem Arbeitsgericht (AG) Lübeck machte der Arbeitnehmer am 02.11.2023 (Az.: 1 Ca 1100/23) erfolgreich seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Richter aus Schleswig-Holstein teilten die Auffassung des Arbeitsgerichts nicht und gaben dem Arbeitgeber recht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer seinen zustehenden Urlaub bereits vollständig genommen hatte. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung gem. § 7 Abs. 4 BurlG (Bundesurlaubsgesetz) bestand nicht (mehr), da der Arbeitnehmer seinen Urlaub von insgesamt 22 Urlaubstagen ab dem 03.02.2023 bereits in vollem Umfang angetreten hatte.

 

Festlegung des Urlaubszeitraums

Der Arbeitgeber überließ es dem Arbeitnehmer, die zeitliche Lage des Urlaubs selbst festzulegen. Das folgt aus der verwendeten Freistellungserklärung mit dem Wortlaut: „Hiermit stellen wir Sie unwiderruflich ab (…) bis zum Ende Ihres Arbeitsverhältnisses, d. h. bis zum 30.06.2023, unter Fortzahlung Ihrer Bezüge und unter Anrechnung von bestehenden und evtl. künftigen Urlaubsansprüchen sowie unter Anrechnung von Überstunden/Mehrarbeitsstunden frei …“. Im Anschluss forderte das Unternehmen den Mitarbeiter auf, seinen kompletten Urlaub bis zum Austrittsdatum zu nehmen. Dies verdeutlicht noch einmal, dass die Festlegung des Urlaubszeitraums im Ermessen des Arbeitnehmers lag. Von dieser Möglichkeit hat der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht, indem er im E-Mail-Verkehr mehrmals betonte, dass er im Zeitraum zwischen dem 11.02. und dem 10.03.2023 einen längeren Auslandsaufenthalt plane und daher nicht zur Verfügung stehe. In der weiteren Korrespondenz informierte er noch mal über seinen Urlaub ab dem 13.02.2023, schilderte wiederholt, dass er ab Mitte März zurück sei, und verabschiedete sich mit den Worten, man höre sich „nach meinem Urlaub“ wieder. Deutlicher könne man die Inanspruchnahme von Urlaub kaum ausdrücken, urteilte das LAG Schleswig-Holstein.

 

Urlaub ist Urlaub

Die Argumentation des Arbeitnehmers, der Begriff „Urlaub“ sei von ihm lediglich „umgangssprachlich“ verwendet worden und eine rechtliche Festlegung des Urlaubs nicht beabsichtigt gewesen, konnte das Gericht nicht überzeugen. Aus dem Schriftwechsel mit seinem Arbeitgeber wird deutlich, dass der Arbeitnehmer den Unterschied zwischen einer Freistellung wegen Mehrarbeitstagen einerseits und eines Urlaubsanspruchs auf der anderen Seite kannte. In seinen E‑Mails differenzierte er ausdrücklich zwischen den Zeiten für Freizeitausgleich wegen Mehrarbeit und den Urlaubstagen. Dem Angestellten ging es in der Korrespondenz gerade darum, Mitte Februar bis Mitte März 2023 nicht zu etwaigen Übergabetätigkeiten vor Ort herangezogen zu werden. Dass er im Übrigen für eine Übergabe an einen potenziellen Nachfolger zur Verfügung stehe, hatte er seinem Arbeitgeber im Verlauf wiederholt mitgeteilt. Diese Vorgehensweise spricht dafür, dass der Arbeitnehmer im Zeitraum seines Auslandsaufenthalts tatsächlich Urlaub machen wollte.

 

Aufzählung statt Reihenfolge

Daran ändert auch die Formulierung seiner ersten E-Mail nichts, in der er dem Unternehmen mitteilte, die aufgelaufenen Mehrarbeits- sowie Urlaubstage aus 2022 und 2023 in Freizeit ausgeglichen haben zu wollen. Nach Ansicht des Gerichts handelte es sich hierbei um eine reine Aufzählung. Dass sich aus dieser Formulierung eine zeitliche Reihenfolge ergeben sollte, überzeugte die Kammer nicht. Für eine solche Interpretation hätte in dem Schreiben klar zum Ausdruck kommen müssen, dass er zunächst die Freistellung für Mehrarbeit erhalten möchte. Das war aber erkennbar nicht der Fall.

 

Rufbereitschaft spricht nicht gegen Urlaub

Zuletzt spricht auch die vom Mitarbeiter angebotene Rufbereitschaft nicht gegen die Annahme, er befinde sich in dem Zeitraum im Urlaub. Die Bereitschaft, trotz Urlaub Anrufe entgegenzunehmen, betrifft nicht die Frage der Urlaubsgewährung oder der Festlegung des Urlaubszeitpunkts. Man könnte lediglich diskutieren, ob für einzelne Tage, an denen der Mitarbeiter in seinem Urlaub Arbeitsleistungen in großem Umfang für das Unternehmen erbringt, einvernehmlich die Urlaubsgewährung wieder aufgehoben wird. Von einer solchen erbrachten Arbeitsleistung war aber nicht die Rede, sodass hierzu keine Entscheidung zu treffen war.

 

Erkrankung nach Urlaub ist unerheblich

Indem der Arbeitnehmer seinen Urlaub bereits von Mitte Februar bis Mitte März angetreten hat, hat er von seinem Recht Gebrauch gemacht, seinen Urlaub zu nehmen. Dadurch hat sich sein vorhandener Urlaubsanspruch vollständig erfüllt. Die Erkrankung des Mitarbeiters im Juni 2023 war daher für die Urlaubsgewährung ohne Belang. Eine nach dem Urlaub auftretende Erkrankung gibt einem Arbeitnehmer nicht das Recht – auch bei freier Wahl des Urlaubszeitraums –, nachträglich den einmal genannten Urlaubszeitpunkt einseitig zu verschieben. Demnach stand dem Mitarbeiter bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.06.2023 kein Urlaub mehr zu, sodass der Arbeitgeber auch keine Urlaubsabgeltung zu zahlen hatte.

Fazit: Wenn der Mitarbeiter dem Arbeitgeber den Urlaubszeitraum bereits mitgeteilt und diesen sogar schon verbraucht hat, ist eine nachträgliche einseitige Verschiebung des Urlaubs durch den Mitarbeiter nicht mehr möglich. Wenn der Mitarbeiter wiederholt den Begriff Urlaub für eine Abwesenheit verwendet, kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass es sich um den vertraglich vereinbarten Erholungsurlaub handelt. An der klaren Bezeichnung Urlaub muss dieser sich festhalten lassen. Der Arbeitnehmer ist außerdem nicht berechtigt, den bereits festgelegten Urlaub in einen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit zu verlegen, um einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu erlangen.

 

Für die Praxis

Eine Freistellung während der Kündigungsfrist kann grundsätzlich nur erfolgen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies vereinbaren oder wenn der Arbeitgeber an der Freistellung ein besonderes berechtigtes Interesse hat. Sodann bestehen zwei Optionen: Der Mitarbeiter kann widerruflich oder unwiderruflich von der Arbeit freigestellt werden. Nur wenn der Mitarbeiter unwiderruflich von der Arbeitsverpflichtung freigestellt wird, kann „die Freistellung unter Anrechnung restlicher oder noch entstehender Urlaubsansprüche“ erfolgen. Bei einer nur widerruflichen Freistellung muss der Urlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses (trotz langer Freizeit) abgegolten werden. Trotz der unter Umständen langen Freistellung, je nach Kündigungsfrist, kann dies eine teure Angelegenheit werden.

Praxistipp: Der Hörakustiker sollte den Arbeitnehmer dann unwiderruflich von der Arbeitsleistung freistellen, wenn noch (erhebliche) Urlaubsansprüche bestehen. Die Formulierung in einer Vereinbarung, einem Aufhebungsvertrag oder im Kündigungsschreiben könnte lauten:

„Bis zur rechtlichen Beendung des Arbeitsverhältnisses werden Sie unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche sowie sonstiger noch offener Zeitguthaben unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.“

Nur im Falle einer unwiderruflichen Freistellung können sämtliche Urlaubsansprüche angerechnet werden. Bei einer nur widerruflichen Freistellung kommt es nicht zu einer wirksamen Urlaubserteilung, da der Arbeitnehmer die Freizeit nicht uneingeschränkt selbstbestimmt nutzen kann. Grundsätzlich sollte die Freistellung klar und ausdrücklich ausgesprochen werden, um Missverständnisse zu vermeiden.

 

Urlaubszeitraum bei Freistellung festlegen

Nun stellt sich die Frage, ob es aus Sicht des Arbeitgebers gleichgültig ist, wann der ausscheidende Arbeitnehmer während der Freistellung offiziell seinen restlichen Erholungsurlaub nimmt. Um Komplikationen zu vermeiden, ist es wichtig, zu Beginn der Freistellung festzulegen, dass zunächst der Resturlaub angerechnet wird und erst danach etwaige andere Freistellungsansprüche. Eine konkrete Festlegung des Urlaubszeitraums bereits in der Freistellungserklärung ist ebenfalls empfehlenswert, um Klarheit und Planungssicherheit zu gewährleisten. Zudem kann eine Formulierung aufgenommen werden, die regelt, dass im Fall einer Erkrankung des ausscheidenden Mitarbeiters während des festgelegten Urlaubszeitraums der Urlaub im unmittelbaren Anschluss an die Genesung genommen wird. Anderenfalls könnte der Arbeitgeber gezwungen sein, den restlichen Urlaubsanspruch aufgrund der bestehenden Arbeitsunfähigkeit abzugelten. Wenn die Freistellungsphase über den Jahreswechsel hinausgeht, sollte zudem eine Klausel aufgenommen werden, dass die Freistellung ab dem 1. Januar des Folgejahres zunächst unter Anrechnung des (neu entstehenden) Jahresurlaubs erfolgt.

 

Freie Gestaltung des Erholungsurlaubs

Wird die konkrete Festlegung von Urlaub während der Freistellung dem Arbeitnehmer überlassen, sollte der Arbeitgeber auf eine hinreichende Dokumentation achten und den Arbeitnehmer auffordern, den geplanten Urlaub zeitlich zu fixieren. So kann eine missbräuchliche Gestaltung des Urlaubsantritts – wie das Verfahren vor dem LAG Schleswig-Holstein zeigt – vermieden werden. Insgesamt ist es ratsam, die Freistellungsvereinbarung ausführlich zu regeln, um direkt von Anfang an keine Unklarheiten aufkommen zu lassen.

 

Anrechnung von Verdienst

Des Weiteren ist es empfehlenswert, eine Vereinbarung zu treffen, dass der ausscheidende Mitarbeiter sich einen anderweitigen Verdienst bei einem anderen Arbeitgeber auf die derzeitige Vergütung anrechnen lassen muss. Denn grundsätzlich besteht für den Arbeitnehmer während der Freistellung mit Vergütungsfortzahlung die Möglichkeit, in diesem Zeitraum eine anderweitige Beschäftigung aufzunehmen. Dem Arbeitgeber steht es aber auch frei, eine Regelung zu treffen, die es dem Arbeitnehmer untersagt, während der Freistellungsphase bei einem Konkurrenzunternehmen zu arbeiten.

Das Urteil lesen sie hier.

Stephanie Graeff, Syndikusrechtsanwältin, Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha)

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