Nach § 13 Abs. 1 Handwerksordnung (HwO) kann die Handwerkskammer die Eintragung in die Handwerksrolle löschen, wenn die Voraussetzungen für die Eintragung nicht mehr vorliegen. Das Verwaltungsgericht Saarlouis (Beschluss vom 04.12.2024 – 1 L 1424/24) hat entschieden, dass es ausreicht, einem Friseurbetrieb nach dem Ausscheiden des Meisters eine Frist von sechs Wochen zu setzen, innerhalb der ein neuer fachlicher Betriebsleiter eingesetzt werden muss. Wenn der Betrieb dem nicht nachkommt, ist eine Löschung des Betriebs aus der Handwerksrolle und damit die Schließung des Betriebs zulässig. Die Entscheidungsgründe des Gerichts lassen sich auch auf das Hörakustikerhandwerk übertragen.
Der Fall
Ein Friseurladen wird durch einen Inhaber betrieben, der jedoch weder über eine Gesellenausbildung noch über einen Meisterbrief im Friseurhandwerk verfügt. In der Zeit vom 16.04.2024 bis 31.07.2024 war eine Frau X als angestellte Meisterin in der Handwerksrolle als fachliche Betriebsleiterin eingetragen. Nachdem Frau X zum 01.08.2024 ausgeschieden ist, wurde der Betrieb ohne Meister fortgeführt. Als die zuständige Handwerkskammer hiervon Kenntnis erlangte, setzte sie dem Betriebsinhaber eine Frist von sechs Wochen zur Bestellung eines neuen Meisters und drohte gleichzeitig die Löschung aus der Handwerksrolle an.
Nachdem innerhalb der Frist kein Meister benannt worden ist, hat die Handwerkskammer am 26.09.2024 eine Löschungsverfügung erlassen und den Betrieb aus der Handwerksrolle gelöscht. Gleichzeitig wurde der Sofortvollzug der Löschungsverfügung angeordnet, damit ein Widerspruch und eine anschließende Klage des Betriebsinhabers gegen die Löschungsverfügung keine aufschiebende Wirkung haben können. Der Betriebsinhaber war deshalb gezwungen, vor dem Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und damit eine Aufhebung des Sofortvollzugs zu beantragen. Über diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht Saarlouis dann per Beschluss entscheiden müssen.
Die Entscheidungsgründe
Das Gericht hat den Antrag des Betriebsinhabers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und Aufhebung des Sofortvollzugs der Löschung aus der Handwerksrolle zurückgewiesen. Damit ist der Sofortvollzug wirksam geworden und der Betrieb wird aus der Handwerksrolle gelöscht und muss deshalb geschlossen werden.
Im Rahmen der vom Verwaltungsgericht zu treffenden Eilentscheidung sind die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs gegen die Löschung des Betriebs aus der Handwerksrolle das wesentliche Entscheidungskriterium.
Nach § 13 Abs. 1 HwO kann ein Eintrag in die Handwerksrolle von Amts wegen gelöscht werden, wenn die Voraussetzungen für die Eintragung nicht mehr vorliegen. Nach § 4 Abs. 2 HwO muss beim Ausscheiden des fachlichen Betriebsleiters bzw. des Meisters der Inhaber des Betriebs unverzüglich für die Einsetzung eines neuen Betriebsleiters sorgen.
Die Frist, innerhalb der dies geschehen muss, ist gesetzlich nicht festgelegt. Sie soll nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt werden. Dabei muss von der Handwerkskammer mit Blick auf das Ziel, eine ordnungsgemäße Fortführung des Betriebs zu gewährleisten, entschieden werden. Ansonsten droht die Löschung aus der Handwerksrolle. Soweit die unverzügliche Betriebsleiterbestellung für den Verpflichteten eine besondere Härte bedeutet, kann ihm die Handwerkskammer hierfür eine angemessene Frist setzen. Dies gilt aber nur dann, wenn die ordnungsgemäße Fortführung des Betriebs bis zum Ablauf der Frist gewährleistet ist. Die Länge der Frist ist nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit zu bestimmen. Die Handwerkskammer hat hier das wirtschaftliche Interesse des Betriebsinhabers an einer Betriebsfortführung gegenüber dem öffentlichen Interesse auf Einhaltung der Verpflichtung zur Meisterpräsenz nach der Handwerksordnung abzuwägen. Bezüglich der Fristlänge steht der Handwerkskammer ein Beurteilungsspielraum zu.
Im vorliegenden Fall kommt das Verwaltungsgericht Saarlouis zu der Feststellung, dass die von der Handwerkskammer gesetzte Frist von sechs Wochen, innerhalb der ein neuer fachlicher Betriebsleiter bestellt werden muss, angemessen ist.
Das Verwaltungsgericht hat dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung des Betriebsleitererfordernisses ohne größere zeitliche Verzögerung besonderes Gewicht beigemessen. Da im Friseurhandwerk angesichts der Benutzung von Schneidewerkzeugen im Kopfbereich sowie der Gefahr nicht unerheblicher Haut- und Augenverletzungen aufgrund der Verwendung von Haarstruktur- oder farbverändernden Chemikalien erhebliche Gesundheitsgefahren bei unsachgemäßer Handwerksausübung drohen, überwiegt das öffentliche Interesse gegenüber dem privaten wirtschaftlichen Fortsetzungsinteresse des Betriebsinhabers.
Der Betriebsinhaber selbst erfüllte die Voraussetzungen für die handwerkliche Betriebsleitung nach § 7 HwO nicht. Er verfügte über keine Ausbildung im Friseurhandwerk und absolvierte auch keine Meisterprüfung. Auch sonst erfüllte er keine weiteren alternativen Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle. Aufgrund der fehlenden Ausbildung im Friseurhandwerk kam auch die Anwendung der Altgesellenregelung nach § 7 b der HwO oder die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO nicht in Betracht.
Es bestand deshalb ein erhöhtes öffentliches Interesse daran, durch die Anwesenheit eines verantwortlichen und qualifizierten Betriebsleiters die Aufsicht über die Arbeit im Betrieb sicherzustellen, um die Realisierung der mit dem Friseurhandwerk typischerweise einhergehenden Gefahren möglichst weitgehend zu verhindern. Zudem hat der Betriebsinhaber keine besonderen Umstände geltend gemacht, die im vorliegenden Einzelfall dafür gesprochen hätten, ihm weiterhin seinen Friseurbetrieb ohne Betriebsleiter zu gestatten bzw. ihm eine längere Übergangsfrist zu gewähren.
Deshalb war nach Auffassung des Verwaltungsgerichts die sechswöchige Frist angemessen. Nach Ablauf der Frist war die Handwerkskammer berechtigt, den Betrieb aus der Handwerksrolle zu löschen und auch die sofortige Vollziehbarkeit der Zwangslöschung anzuordnen. Damit war der Betrieb zu schließen.
Strenge Meisterpräsenz in den Gesundheitshandwerken
Die Erwägungen des Gerichts sind auch auf das Hörakustikerhandwerk übertragbar. Auch bei den Gesundheitshandwerken drohen den Patienten erhebliche Gesundheitsgefahren durch fehlerhafte Behandlungen, falsche Messungen oder Fehlanpassungen. Hieraus ergeben sich Besonderheiten im Handwerksrecht, der Sozialgesetzbücher(SGB)-Gesetzgebung und auch im Medizinprodukterecht.
Wegen der besonderen Gefahrengeneigtheit findet beispielsweise die Altgesellenregelung nach § 7 b HwO auf die Gesundheitshandwerke keine Anwendung. Hieraus ergibt sich bereits die Wertung des Gesetzgebers, dass in den Gesundheitshandwerken besonderer Wert auf die Meisterpräsenz gelegt werden muss. Es reicht deshalb nicht aus, dass für das Fachgeschäft ein Meister als fachlicher Betriebsleiter in der Handwerksrolle eingetragen ist. Vielmehr muss der Meister im Betrieb auch tatsächlich präsent sein und durch seine meisterliche Tätigkeit und Anleitung sowie die Überwachung und Anleitung der Tätigkeit der Mitarbeiter dem Betrieb sein fachliches Gepräge geben. Zudem muss der Meister auch beim Einsatz moderner Technik jederzeit in der Lage sein, die handwerkliche Tätigkeit zu überwachen und die Qualität der Arbeit unmittelbar zu beurteilen. Aufgrund der besonderen Gefahrengeneigtheit der Gesundheitshandwerke muss ein unverzügliches und persönliches Eingreifen durch den Betriebsleiter bei jeder individuellen Versorgung mit Medizinprodukten gewährleistet sein. In der Regel ist deshalb eine gleichzeitige Anwesenheit des Kunden und des fachlichen Betriebsleiters vor Ort sicherzustellen.
Bereits aus diesen gesteigerten Anforderungen bezüglich der Meisterpräsenz kann man schließen, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit das Hörakustikerhandwerk nicht anders behandeln wird als das Friseurhandwerk. Hinzu kommen noch die zusätzlichen Anforderungen an die Gesundheitshandwerke aus dem SGB V, wie etwa die Präqualifizierungsanforderungen oder auch die Dokumentationspflichten aus dem Medizinprodukterecht, die der Gesetzgeber erlassen hat, um den besonderen Gesundheitsgefahren bei Ausübung der Gesundheitshandwerke zu begegnen.
Für die Praxis
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Saarlouis zur Löschung eines Friseurbetriebs aus der Handwerksrolle wegen fehlendem Betriebsleiter kann deshalb auf das Hörakustikerhandwerk übertragen werden.
Demnach droht einem Betrieb bei Verlust des Meisters die Löschung aus der Handwerksrolle und damit die Schließung des Betriebs. Auch sind die Handwerkskammern berechtigt, den sofortigen Vollzug der Maßnahme anzuordnen, sodass auch eingelegte Rechtsmittel wie Widerspruch gegen die Löschungsverfügung sowie eine verwaltungsgerichtliche Klage hiergegen keine aufschiebende Wirkung haben.
Für den Fall, dass der Meister wegfällt, kann nur empfohlen werden, sich frühzeitig mit der Handwerkskammer abzustimmen und eng mit dieser zu kommunizieren. Die Sechswochenfrist, die nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts hier angemessen war, ist sicher sehr kurz. Ein betroffener Betrieb sollte deshalb schnellstmöglich intensive Bemühungen um eine Nachfolgelösung initiieren und dies auch gegenüber der Handwerkskammer frühzeitig kommunizieren. Damit kann die Handwerkskammer dazu bewogen werden, eine längere Frist zu setzen. Weiterhin müssen gegenüber der Handwerkskammer auch Zwischenlösungen erörtert und dokumentiert werden. Denkbar wäre beispielsweise, während einer Elternzeit die reduzierten Öffnungszeiten zweier Betriebsstätten so aufeinander abzustimmen, dass sie von einem Meister nacheinander geleitet werden können. Bei absehbaren Verzögerungen einer Neubesetzung oder einer temporären Lösung kann auch mit der Handwerkskammer eine befristete Duldung verhandelt und beantragt werden. Die Handwerkskammer hat ein Ermessen und kann im Einzelfall durchaus längere Fristen einräumen, wenn dargelegt wird, dass Problembewusstsein besteht und durch aktives Handeln des Betriebs Gesundheitsgefahren vermieden werden sollen.
Auch wäre sicher eine längere Frist angemessen, wenn beispielsweise im Betrieb erfahrene Gesellen vorhanden sind und so der ordnungsgemäße Betriebsablauf auch bei einem kurzfristigen Ausscheiden des Meisters sichergestellt werden kann. Im vom Verwaltungsgericht Saarlouis entschiedenen Fall verfügte der Betriebsinhaber noch nicht einmal über eine Gesellenausbildung.
Handlungsoption Ausnahmebewilligung
Zu denken wäre deshalb im Fall eines Verlusts des Meisters auch an die Möglichkeiten einer Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 HwO. Im Hörakustikerhandwerk bieten sich hier insbesondere zwei mögliche Lösungen zur Beantragung einer Ausnahmebewilligung an:
Bei langjährig tätigen Gesellen, die bereits das 47. Lebensjahr erreicht haben, sieht die Rechtsprechung regelmäßig die Absolvierung einer Meisterprüfung als unverhältnismäßig an. Solche Mitarbeiter können nach § 8 Abs. 1 HwO eine unbefristete Ausnahmebewilligung beantragen. Sie müssen allerdings im Rahmen des Antragsverfahrens nachweisen, dass sie über die besondere Sach- und Fachkunde zur Fortführung eines Hörakustikerbetriebs verfügen. Die Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha) bietet hierfür in Zusammenarbeit mit den Handwerkskammern die Durchführung einer Sach- und Fachkundeprüfung an der Akademie für Hörakustik in Lübeck an. Soweit die Prüfung mit Erfolg absolviert wird, kann die Handwerkskammer eine unbefristete Ausnahmebewilligung erteilen. Der Geselle kann dann als fachlicher Betriebsleiter in der Handwerksrolle eingetragen werden.
Ein weiterer Anwendungsfall einer Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 HwO liegt dann vor, wenn es im Betrieb bereits Gesellen gibt, die bereits mit einer Meisterfortbildung begonnen haben oder unmittelbar beginnen wollen, aber die Meisterprüfung noch nicht absolvieren können, da sie sich noch in der Fortbildung befinden. In solchen Fällen kann nach § 8 Abs. 1 HwO eine befristete Ausnahmebewilligung bei der Handwerkskammer beantragt werden. Ebenso muss in diesen Fällen die besondere Sach- und Fachkunde zur Fortführung des Betriebs im Rahmen einer Fachkundeprüfung überprüft und nachgewiesen werden. Auch hier kann nach Abstimmung mit der Handwerkskammer die Prüfung an der Akademie für Hörakustik in Lübeck zeitnah absolviert werden. Regelmäßig kann dann die Kammer eine befristete Ausnahmebewilligung erteilen, die notfalls auch noch verlängert werden kann, wenn sich im Ausnahmefall die Meisterfortbildung verzögert.
Fazit
Betroffene Betriebsinhaber sollten also frühzeitig und unverzüglich nach Lösungsmöglichkeiten suchen und diese auch unverzüglich mit der Handwerkskammer erörtern. Zwischen den Zeilen der veröffentlichten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Saarlouis geht hervor, dass dort offensichtlich der Betriebsinhaber dies nicht getan hat und deshalb die Handwerkskammer auch mit einer relativ kurzen Frist reagiert hat. Bei unverzüglicher Kommunikation mit der Handwerkskammer sowie bei Einleitung von geeigneten Maßnahmen hätte die Betriebsschließung möglicherweise vermieden werden können.
Das Urteil lesen Sie hier.
Mathias Stier, Syndikusrechtsanwalt, Abteilung Handwerksrecht, Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha)
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