Kongresseröffnung EUHA Martin BleckerIm Zeichen des Glücks begann in diesem Jahr der Internationale Hörgeräteakustiker-Kongress. Nachdem Martin Blecker, Präsident der EUHA, und Hans-Peter Bursig, Vorstandsvorsitzender des BVHI, am Morgen traditionell das weiße Band durchschnitten hatten, öffneten sich die Pforten der bedeutendsten Fachveranstaltung der Branche.

Der renommierte Redner und beliebte Bestsellerautor Hermann Scherer beglückte die Kongressbesucher mit einem äußerst amüsanten und anregenden Vortrag.

exklusiv-Beitrag 4
Aus der Ausgabe 11/2013
Unsere Sinneswahrnehmungen vermitteln zwischen uns und der Welt.“ Mit diesen Worten eröffnete Martin Blecker, Präsident der Europäischen Union der Hörgeräteakustikere.V. (EUHA), den Festvortrag. Besonders interessant und wichtig, vielleicht sogar lebenswichtig, sei für den Menschen der Hörsinn. Das Wissen und das Verständnis über den Hörsinn würden ständig anwachsen. Und dazu trage auch der EUHA-Kongress bei, erklärte Blecker. „Daher freue ich mich, Sie hier auf dem 58. Internationalen Hörgeräteakustiker-Kongress im Namen der Geschäftsführung und des Präsidiums der EUHA willkommen zu heißen.“

Auch wenn der EUHA und dem BVHI alle Anwesenden gleich lieb und teuer seien, gebe es doch immer ein paar Personen, die er einzeln begrüßen wolle, sagte Blecker und setzte seine Worte in die Tat um: Herzlich willkommen hieß er die diesjährigen EUHAPreisträger Professor Dr. Karl-Friedrich Hamann, Franziska Eckardt, Johannes Kohorst und David Sooprayen sowie die Vertreter der Ärzteschaft Professor Dr. Karin Schorn, Professor Dr. Jürgen Kießling, Professor Dr. Dr. Roland Laszig, Dr. Harald Seidler, Professor Dr. Patrick Zorowka und Professor Dr. Rainer Schönweiler. Er freue sich, auch die Vertreter des Berufstands dabeizuhaben und begrüßte biha-Präsidentin Marianne Frickel und biha-Hauptgeschäftsführer Jakob Stephan Baschab herzlich. „Meinen Präsidentenkollegen aus den europäischen Schwesterverbänden Belgien, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, Spanien und der Schweiz ein herzliches Willkommen beziehungsweise ein warm welcome, mein Kollege von der FDH, Günther Steinmeier, auch Sie sind herzlich willkommen und natürlich alle unsere Referenten“.

Die Klein- und Großarbeiten des Kongresses habe die Geschäftsstelle der EUHA zu erledigen, die die Vorstellungen und Ideen des Präsidiums umsetzen müsse, erklärte Blecker, und stellte dem Publikum das neue Team in Mainz vor: Patrizia Lawall, die neue Geschäftsführerin, Frances Leber, die unter anderem für die Mitgliederverwaltung und das Rechnungswesen verantwortlich ist, sowie Projektassistentin Jutta Ziegler, eine altgediente Mitarbeiterin der EUHA. Herzlich dankte der EUHA-Präsident den drei Mitarbeiterinnen für ihre unermüdliche Arbeit.

Dann übergab er das Wort an Hans-Peter Bursig, „Co-Hausherr des Kongresses“ und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Hörgeräte-Industrie (BVHI). Bursig betonte in seinen Grußworten, wie wichtig die Kooperation zwischen Industrie und Hörgeräteakustikern sei. Dadurch würden Innovationen überhaupt erst möglich werden: „Das, was wir an Technik auf den Markt bringen, funktioniert nur, wenn es von Ihnen auch richtig auf den letzten Stand der Technik angepasst werden kann, insofern ist dieser Zweiklang von Weiterbildung und Innovationsvorstellung eine gute Übung und auch eine gute Tradition hier auf dem Kongress der Hörgeräteakustiker.“

Innovationen, die von der Industrie mit viel Aufwand entwickelt werden würden, hätten logischerweise auch ihren Preis, betonte Bursig. Dieses Thema laufe unterschwellig bei diesem Kongress mit: „Was passiert mit Märkten, was passiert mit Verträgen, was passiert mit Preisen? Wie schaffen wir es auch in Zukunft, innovative Produkte schnell und sehr weit verbreitet an möglichst viele Schwerhörige zu bringen?“ Hier seien die Hörgeräteakustiker gefragt, die Hörsysteme erklärten und anpassten, und die Industrie, die für Innovationen sorge. Dann stellte Bursig kurz die neue Initiative „Intelligent Ears“ vor, mit der für die hochwertigen Produkte der Mitgliedsunternehmen geworben, aber auch die Technik und ihr Beitrag bei der Versorgung vernünftig thematisiert werden soll.

Die glücklichen Gewinner

EUHA-Förderpreisträger„Es ist eine gute Tradition, dass wir hier zur Eröffnung des Kongresses junge Leute ehren, die entweder mit ihrer Bachelor- oder Masterarbeit oder ihrem Europadiplom bewiesen haben, dass sie was geschaffen haben, was zu verkünden ist, was man weitertragen muss und das in die Öffentlichkeit gebracht werden muss“. Mit diesen Worten leitete Blecker zum nächsten Programmpunkt über: die Verleihung des EUHA-Förderpreises. Wie in den Jahren zuvor übernahm EUHA-Präsidiumsmitglied Eva Keil-Becker die Laudatio und anschließende Preisverleihung.

Die EUHA sei als fachwissenschaftlicher Verband sehr daran interessiert, den Branchennachwuchs zu stärken und im intensiven Austausch mit ihm zu stehen, begann Keil-Becker ihre Ansprache. Mit dem von Professor Dr. Friedrich Keller geprägten Bild des Löwensprungs verdeutlichte sie die Leistung der Ausgezeichneten. Der Löwe wird vom Dompteur aufgefordert, durch einen brennenden Reif zu springen. Der Löwe stehe dabei für das Hörgerät mit seinen vielfältigen Eigenschaften, der Reif für den Schwerhörigen mit seinen „brennenden“ Hörproblemen und der Dompteur für den Hörgeräteakustiker, der das Hörgerät kontrollieren muss, um ein optimales Hörergebnis zu erzielen. Die Preisträger seien Löwe und Dompteur zugleich, lobte Keil-Becker, „denn Sie haben neues Terrain betreten, Sie haben sich ein Forschungsgebiet gesucht, Sie mussten mutig und stark sein. (…) Dass Sie zu den Preisträgern gehören, zeigt uns, dass Sie bravourös den Sprung durch den Reif der Forschung geschafft haben und Sie haben bewiesen, dass Sie forschen können. Und Ihre Erfahrung aus der Praxis und damit unser duales Ausbildungssystem ist Ihnen dabei sicherlich zugutegekommen.“

Den dritten Preis, dotiert mit 1.000 Euro, überreichte Keil-Becker an Franziska Eckardt. Sie wurde für ihre „absolut zukunftsgerichtete Arbeit“ ausgezeichnet. Die Masterarbeit über die Charakterisierung typischer Alltagssituationen, um damit in Zukunft zum Beispiel Hörgeräteevaluationen unter definierten Testbedingungen realitäts- und praxisnah durchzuführen, verfasste sie an der Universität Oldenburg. „Eine Arbeit mit einem gigantischen Entwicklungspotenzial“ bekam den zweiten Preis, dotiert mit 2.000 Euro. Der Preisträger Johannes Kohorst untersuchte in seiner Diplomarbeit an der Akademie in Lübeck die Wirkungsweise einer nicht linearen Frequenzkompression.

Beim ersten Platz, so Keil-Becker, sei sich die Jury einig gewesen, dass es eine großartige Bachelorarbeit sei, die nicht nur auf Statistiken beruhe, sondern aufgrund der kausalen Herleitung beeindrucke. Der Preis, dotiert mit 3.000 Euro, ging an David Sooprayen. In der Arbeit, geschrieben an der FH in Lübeck, geht der Preisträger der Frage nach, ob eine zusätzliche Tieftonverstärkung bei 500 Hertz ein besseres Sprachverstehen und eine bessere Klangqualität bringt. Keil-Becker dankte der Jury aus Martin Blecker, Siegrid Meier, Reimer Rohweder und Dirk Köttgen für ihre geleistete Arbeit und rief die Preisträger auf, „weiterhin mutig zu sein, neue Wege zu gehen und zu forschen“.

Auch die Forschungsgemeinschaft Deutscher Hörgeräteakustiker (FDHA) verleiht jährlich zum Kongress einen Preis an hochwertige Wissenschaftler, die im Bereich Hörgeräteakustik in technischer und medizinischer Hinsicht forschen. Professor Dr. Karin Schorn ehrte in diesem Jahr Professor Dr. Karl-Friedrich Hamann in Anerkennung seiner vielfältigen Veröffentlichungen über die Bedeutung des Hörens und den Zusammenhang zwischen vestibulärer Störung und Schwerhörigkeit sowie deren Behandlung und Ausgleich.

Professor Hamann nahm den Preis dankend an und belohnte das Publikum mit einer humorvollen Ansprache: „In der letzten Woche hatte ich eigentlich auch schon auf einen Anruf gewartet, aber Stockholm hat sich wieder mal nicht gemeldet. Es hat ihn wieder mal so ein Kanalarbeiter bekommen. Er hat irgendeinen wichtigen Kanal an einer Zelle entdeckt, an einer Zellorganelle.“ Umso mehr habe er sich aber über die Auszeichnung von der FDHA gefreut. Er betrachte den Preis als eine besondere Ehre, weil er an eine Person gehe, die nicht unbedingt bekannt dafür sei, dass sie sich speziell mit der Hörgeräteakustik beschäftige. „Ich sehe und betrachte es jedenfalls als Zeichen, Fachgrenzen bei der Lösung gemeinsamer Probleme zu überwinden und Abschottungen, wie sie aus meiner Sicht leider von einigen meiner Kollegen zurzeit betrieben werden, zu verhindern. Daher nehme ich dankend den Preis an, vor allem im Bewusstsein, dass damit auch die Kooperationen zwischen Hörgeräteakustikern und Innenohrforschern gewürdigt werden.“

Der Glücksbringer

Hermann Scherer Kongresseröffnung EUHAIm Anschluss an die Preisverleihungen folgte der erste Vortrag des Kongresses. Dafür hatte die EUHA einen renommierten und beliebten Redner gewinnen können: Hermann Scherer, Bestsellerautor, Marketingguru, Businessexperte und Gute-Laune-Verbreiter. Scherer spricht und schreibt über sich selbst. Und das scheint das Geheimnis seines Erfolgs zu sein.

Gut gelaunt plauderte er vor dem EUHA-Publikum aus dem Nähkästchen. Während er über Chancen im Leben referierte und dazu Studien zitierte, Witze erzählte oder kurze Filme zeigte, hatte er seine Zuschauer fest im Griff. Seine mit scharfzüngigem und intelligentem Humor gespickte Rede entlockte den Gästen im Sekundentakt Lachsalven und echte Glücksgefühle. Vor allem die weiblichen Zuschauer, denen er mit voller Inbrunst und Überzeugung eine höhere Intelligenz attestierte, wenn es um Chancen im Leben geht, hatte er schnell für sich eingenommen: „Frauen sehen mehr, Frauen reden mehr. Frauen wollen ihre Probleme gelöst haben.“

Doch woher kommt diese Chancenfähigkeit? Liegt’s am Talent? Postwendend kam die Antwort: „Es gibt Talent, das wird aber maßlos überschätzt. Jeder von uns kann alles. Auch Ihr Mitarbeiter kann alles, was Sie von ihm haben wollen. Die Frage ist nur, ob Sie ihn 10 000 Stunden bezahlen wollen, bis er es kapiert hat.“ Alles, was mit Chancen zu tun habe, habe in Wirklichkeit mit unserem Bewertungssystem zu tun. Alles, was wir tun, sei eine Bewertung: „Wir haben dummerweise nicht die Fähigkeit, Möglichkeiten zu sehen, ohne eine Meinung dazu zu haben. Wir sehen eine Möglichkeit, verbinden die mit einer Meinung, die ist selten neutral, sondern eher grau, und damit nicht mehr realistisch.“

Zudem fehle es uns an Commitment, also an der Bereitschaft, zu dem zu stehen, was man gesagt hat. Diejenigen Menschen seien wesentlich erfolgreicher, die fokussiert seien und beinahe autistisch ihre Dinge durchziehen würden: „Unser Gehirn ist wie ein Schubladensystem aufgebaut. Je mehr Projekte wir im Leben laufen haben, desto mehr Schubladen sind offen, desto weniger Energie kann man auf die einzelnen verbringen. Fokus ist entscheidend.“ Dabei dürfe man niemals von Problemen sprechen, denn die gebe es eigentlich nicht. „Jedes Problem ist eine Chance oder ein noch nicht gegründetes Unternehmen.“

Die Lösung sei Loslassen, riet Scherer dem Publikum. „Wir tun uns schwer mit dem Loslassen. Wir wollen schon den neuen Job, aber den alten nicht aufgeben, wir wollen den neuen Partner, aber beim alten bleiben, wir wollen immer beides und tun uns schwer damit.“ Was lernen wir aus diesen Tipps Scherers? Der Schlüssel zum Glück liegt in der Fähigkeit, Chancen zu entdecken und zu nutzen. Erfolgreiche Menschen haben nicht mehr Glück als andere, sie haben nur einen besseren Blick für Chancen, haben den Mut, Regeln zu brechen und nonkonformistisch durchs Leben zu gehen. Glaubt man Scherers scharfen Denkanstößen, steckt in jedem von uns also ein Glückskind.

Das unterstrich Scherer mit seinen Schlussworten: „Seien Sie bitte Querdenker“, rief er dem bestens unterhaltenen Vortragsgästen zu und gab ihnen noch eine Lebensweisheit mit auf den Weg: „Zum Ende unseres Lebens bereuen wir selten die Dinge, die wir getan haben, als vielmehr die Dinge, die wir nicht getan haben. In diesem Sinne: Gehen Sie raus, zünden Sie die Welt an, den richtigen Partner haben Sie dazu.“

Nach diesem unterhaltsamen Vortrag eröffnete Blecker offiziell den 58. EUHA-Kongress: „Ich möchte Sie auch loslassen, nicht ohne Ihnen vorher mindestens dreißig Vorträge zu empfehlen, fünf Workshops, und 110 Stationen auf unserer Ausstellung. Der nächste Kongress ist vom 15. bis 18. Oktober in Hannover. Ich hoffe, wir sehen uns da wieder. In diesem Sinne, haben Sie viel Spaß, denken Sie quer und lassen Sie alles, was Sie hier sehen und hören, auf sich einwirken.“

Petra Moscato

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