Chipdesign BatterienSonderteil Batterien und Akkus

Mit jeder neuen Hörsystemgeneration nimmt der Umfang der integrierten Funktionen zu. Was positiv für die Nutzer ist, stellt die Entwickler stetig vor die Herausforderung, bei ihren Innovationen den Energiebedarf im Blick zu behalten. Ein zentraler Ansatzpunkt dafür ist das Chipdesign. Thorsten Gurzan - Siemens Audiologische Technik

Chips haben einen hohen Energiegehalt beziehungsweise viele Kalorien. Ausgeklügelte Hörsystemchips kommen dagegen mit sehr wenig Energie für immer mehr Rechenleistung aus.

Knackpunkt Batterie


Aus der täglichen Praxis mit Kunden wissen wir, dass der Energiebedarf von Hörsystemen und die damit verbundenen Kosten für Batterien die Produktauswahl beeinflussen. Der Energiebedarf von Hörgeräten bestimmt außerdem, ob der Einsatz von wiederaufladbaren Akkus anstelle von Batterien sinnvoll ist.

Etwa alle 18 bis 24 Monate kommen neue Hörsysteme mit deutlich größerem Funktionsumfang auf den Markt, während die Entwicklungszyklen bei Batterien in der Regel deutlich länger sind. Das gilt nicht nur für unsere Branche. Die ersten Mobiltelefone beispielsweise mussten in der Regel nur einmal in der Woche aufgeladen werden. Aktuelle Smartphones müssen dagegen beinahe täglich an die Steckdose.

Soll im Sinne des Nutzers die Batterielaufzeit nicht weiter verkürzt werden, muss der endgültige Stromverbrauch während der gesamten Entwicklung eines neuen Hörgerätes berücksichtigt werden. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Chipdesign zu. Wie eine höhere Leistung und ein Mehr an Hörsystemfunktionen ohne nennenswert erhöhtem Energiebedarf möglich ist, soll im Folgenden erläutert werden.

Effizienter Einsatz von Algorithmen


Hörgeräte sind heutzutage Minicomputer mit Hochleistungschips, die innerhalb von Sekunden viele Millionen Rechenvorgänge ausführen. Die Anleitungen hierzu, die sogenannten Algorithmen, legen genau fest, welche Schritte in welcher Abfolge zur Lösung einer Aufgabe führen. Jede einzelne Handlung in einem elektronischen Rechner benötigt Energie. Je mehr Handlungen beziehungsweise Rechenoperationen ausgeführt werden müssen, desto mehr Strom zehrt ein elektronisches Rechenverfahren. Gelingt es, ein Rechenverfahren abzukürzen, ohne das gewünschte Ergebnis aufzugeben, spart man Energie. Um den Stromverbrauch gering zu halten, ist es somit von höchster Bedeutung, Programmcodes für spezielle Hardware des Mikrochips dahingehend zu optimieren.

Auch können je nach Anforderung spezielle, zeitweise ungenutzte Bereiche vorübergehend in eine Art Schlafmodus versetzt werden. So kann beispielsweise Energie im omnidirektionalen Mikrofonmodus gespart werden, indem die spezielle Hardware, die für die Berechnung der Direktionalität aus den Signalen der beiden Mikrofone zuständig ist, auf Standby geht. Allerdings ist es nicht sinnvoll, jeden aktuell nicht benötigten Prozess kurzzeitig zu deaktivieren, denn auch das Abschalten kann kurzfristig einen erhöhten Strombedarf bedeuten. Für die Gesamtbilanz ist es daher wichtig, ein speziell an die Algorithmen und Funktionen angepasstes Chipdesign zu entwerfen.

Variable angepasste Spannungen


Eine entscheidende Rolle spielen auch angepasste Betriebsspannungen innerhalb eines Chipsystems für die verschiedenen Komponenten wie Speicher, Prozessor, Analog-Digital-Wandler sowie Funkempfänger und -sender. Da bei integrierten Schaltungen der Stromverbrauch mit steigender Spannung zunimmt, sollte gemäß der Regel „so hoch wie nötig, so gering wie möglich“ für jede Komponente eine individuell angepasste Spannung bereitgestellt werden.

Winzige Strukturen und Leiterbahnen


Ein Mikrochip besteht im Wesentlichen aus vielen Transistoren. Je mehr Transistoren ein Chip enthält, desto mehr Rechenoperationen können in einer bestimmten Zeiteinheit ausgeführt werden und desto höher ist die effektive Rechenleistung. Die Herausforderung ist hierbei, den damit einhergehenden Energiebedarf nicht im gleichen Umfang steigen zu lassen. Die Lösung: Halbleitertechnologien mit kleineren Strukturen.

MikrochipMikrochip










Abb. 1: Die Abbildung zeigt neu gefertigte Micon-Chips auf einem Silizium-Wafer. Deutlich erkennt man verschiedene Strukturen auf den Chips. Diese beinhalten unterschiedliche Schaltungen und spezielle Schaltkreise, zum Beispiel die direktionale Sprachanhebung oder die Filterbank für 48 Kanäle.


Mikrochips arbeiten binär, also mit zwei diskreten Zuständen „0“ und „1“, genannt Bits (binary digit, engl. für Binärziffer). Dabei definiert sich „1“ durch Anliegen einer Spannung. Bei „0“ liegt keine Spannung an. So arbeitet beispielsweise der Micon-Hörsystemchip von Siemens mit bis zu 250 Millionen Rechenoperationen (Bit-Operationen) pro Sekunde. Das ergibt bis zu 250 Millionen Umladevorgänge der Leiterbahnen. Diese Leiterbahnen sind in etwa 1000-mal dünner als ein menschliches Haar. Je geringer der Querschnitt einer Leiterbahn ist, desto weniger Elektronen sind nötig, um ein erforderliches oder gewünschtes Spannungspotenzial zu erreichen und umso kleiner ist folglich auch der Energieverbrauch.

Je kleiner die Leiterbahnen und Transistoren sind, desto leichter können allerdings die Elektronen die Isolierung überspringen. Das Überspringen führt zu sogenanntem Leckstrom, der sich negativ in der Strombilanz auswirkt. Die Herausforderung in diesem Fall: Die ideale Balance zwischen kleinen Strukturgrößen und damit einhergehenden Leckströmen zu finden. Ein Leckstrom sollte aber immer deutlich unterhalb des Selbstentladungsstroms der Batterie liegen.

Die Schaltkreise mit besonderen Funktionen sowie weitere Spezialschaltkreise können sogar auf dem Mikrochip deutlich erkannt werden, wie Abbildung 1 zeigt.

Stromverbrauch ChipdesignVariable Taktfrequenz


Abb. 2: Die Abbildung zeigt den Stromverbrauch einer Beispielschaltung in Abhängigkeit der Taktfrequenz und der Spannung. Je höher die Taktfrequenz, desto höher ist auch der Stromverbrauch. Für ein energiesparendes System ist es daher besonders wichtig, mit angepassten Taktfrequenzen für die verschiedenen Bereiche zu arbeiten.



Der höchste Energieverbrauch entsteht durch das Umladen der Leiterbahnen. Deshalb ergeben sich hier die größten Einsparmöglichkeiten. Die Taktfrequenz bestimmt die Bit-Operationen pro Zeiteinheit. Um Bit-Operationen und damit Umladevorgänge einzuschränken, sollte die Taktfrequenz der notwendigen Rechenleistung angepasst werden.

Zur Verdeutlichung dieser Einsparmöglichkeit wird als Beispiel der Micon-Chip herangezogen. Dieser digitalisiert das Eingangssignal zunächst mit 24 kHz, um eine maximale Bandbreite von 12 kHz erreichen zu können. Zur weiteren Bearbeitung des Signals findet eine Aufteilung in einer sogenannten Filterbank in 48 Kanäle zu je 250 Hz Bandbreite statt. Die Abhängigkeit von Taktfrequenz und Stromverbrauch und damit auch das Einsparungspotenzial verdeutlicht Abbildung 2.

Gemäß dem Nyquist-Shannon-Abtasttheorem können die einzelnen Kanäle mit einer massiv verringerten Bandbreite und damit notwendigen niedrigeren Taktfrequenz in den einzelnen Bändern ohne Qualitätsverlust, jedoch mit einer enorm hohen Energieeinsparung weiter verarbeitet werden. Das Abtasttheorem besagt dabei, dass ein auf ƒmax bandbegrenztes Signal mit einer Frequenz von mindestens 2 · ƒmax abgetastet werden muss, damit man es aus dem zeitdiskreten Signal wieder exakt rekonstruieren kann.

Prozessorsystem ChipdesignSpezialisierte Schaltkreise


Abb. 3: Im Prozessorsystem sind neben dem Signalprozessor die speziellen Schaltungen für eine energiesparende Signalverarbeitung integriert. Der Signalprozessor „delegiert“ dabei die Aufgaben an die speziellen Schaltkreise wie zum Beispiel für die Frequenzkompression. Diese übernehmen die Bearbeitung sehr effizient, wodurch der Prozessor kaum belastet wird.

Der Prozessorkern des Hörsystemchips übernimmt in der Regel nicht alle Rechenoperationen selbst. Hierfür gibt es zusätzliche spezielle Schaltkreise, die den Prozessorkern beim Ausführen von Algorithmen unterstützen. Aktuelle PCs sind beispielsweise mit Grafikkarten ausgestattet – mit eigenem Prozessor, der speziell die für die Grafikausgabe notwendigen Rechenoperationen übernimmt, was den Hauptprozessor entlastet. Vergleichbare, auf Audiosignalverarbeitung spezialisierte Schaltkreise, sind direkt im Hörsystemchip integriert. Abbildung 3 verdeutlicht den Aufbau und das Zusammenspiel zwischen dem Prozessor und den speziellen Schaltkreisen an einem schematischen Aufbau eines Micon-Hörsystemchips.

Jeder dieser hochspezialisierten Schaltkreise, wie etwa für die direktionale Sprachanhebung oder die Frequenzkompression, ist dabei auf eine ganz bestimmte Rechenoperation abgestimmt und arbeitet dadurch extrem effizient. Besonders rechenaufwendige Algorithmen laufen hauptsächlich auf diesen quasi ausgelagerten Systemen.

Beim zuvor erwähnten Beispiel der Filterbank der Micon-Technologie verarbeitet der Hauptprozessor das Eingangssignal nicht selbst. Das Eingangssignal wird in eine spezielle Filterbank (Eingangsstufe) gesendet, die nach Bearbeitung dem Hauptprozessor die 48 Kanäle zurückliefert. Der Prozessor selbst wird durch diese Bearbeitung nur unwesentlich belastet. Die eigentliche Aufgabe übernimmt ein spezieller Schaltkreis, der im Chip integriert ist.

Für eine noch höhere Energieersparnis sind diese Schaltkreise zudem eigens an einen bestimmten Algorithmus angepasst. Während universelle Standard-Hardware die Rechenoperationen beispielsweise immer mit 16 oder 24 Bit ausführt, bietet ein spezialisierter Schaltkreis die Möglichkeit, sich auf die notwendigen Bit-Operationen zu beschränken.

Man könnte die komplette Signalverarbeitung eines Hörsystems auch auf einem High-End-PC ohne diese speziellen Schaltkreise laufen lassen. In diesem Fall wäre dieser allerdings sehr stark ausgelastet und der Energieverbrauch für ein Hörsystem in jeder Hinsicht untragbar.

Mit einem spezialisierten Mikrochip geht man einen Kompromiss zwischen Stromverbrauch und Flexibilität ein. Somit müssen bei Neuentwicklungen immer auch die Spezialschaltkreise und damit der Chip angepasst werden. Doch die Mühe lohnt sich, da der Hörgerätenutzer von sparsamer Technologie profitiert.

Fazit


Ausgeklügeltes Chipdesign und maßgeschneiderte Algorithmen sind der Schlüssel, um ein leistungsfähiges und zugleich energiesparendes Hörsystem zu entwickeln. Wie effektiv die Programmierer und Chipdesigner gearbeitet haben, zeigt sich in der täglichen Praxis mit der Messbox sowie im Umgang und im Gespräch mit den Kunden.


Thorsten GurzanThorsten Gurzan ist Hörgeräteakustikermeister und seit 2003 in der Hörgerätebranche tätig. Nach mehreren Jahren Praxiserfahrung wechselte er 2008 zur Siemens Audiologischen Technik GmbH. Zunächst arbeitete er im technischen Kundenservice, seit 2012 ist er im Produktmanagement Deutschland tätig.

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